”אֵ֣לֶּה הַדְּבָרִ֗ים אֲשֶׁ֨ר דִּבֶּ֤ר מֹשֶׁה֙ אֶל־כׇּל־יִשְׂרָאֵ֔ל בְּעֵ֖בֶר הַיַּרְדֵּ֑ן בַּמִּדְבָּ֡ר בָּֽעֲרָבָה֩ מ֨וֹל ס֜וּף בֵּֽין־פָּארָ֧ן וּבֵֽין־תֹּ֛פֶל וְלָבָ֥ן וַחֲצֵרֹ֖ת וְדִ֥י זָהָֽב׃“
(דברים א' א')
„Dies sind die Worte, die Mose zu ganz Israel redete jenseits des Jordans in der Wüste, im Jordantal gegenüber Suf, zwischen Paran und Tofel, Laban, Hazerot und Di-Sahab.”
(D‘warim, 5. Buch Mose 1,1)
”וַיְהִי֙ בְּאַרְבָּעִ֣ים שָׁנָ֔ה בְּעַשְׁתֵּֽי־עָשָׂ֥ר חֹ֖דֶשׁ בְּאֶחָ֣ד לַחֹ֑דֶשׁ דִּבֶּ֤ר מֹשֶׁה֙ אֶל־בְּנֵ֣י יִשְׂרָאֵ֔ל כְּ֠כֹ֠ל אֲשֶׁ֨ר צִוָּ֧ה יְהֹוָ֛ה אֹת֖וֹ אֲלֵהֶֽם׃“
(דברים א' ג')
„Und es geschah im vierzigsten Jahr, am ersten Tage des elften Monats, da redete Mose mit den Israeliten alles, wie es ihm der HERR für sie geboten hatte.”
(D‘warim, 5. Buch Mose 1,3)
Ein Überblick
Das fünfte Buch der Tora, das Sefer D’vorim [ספר דברים], unterscheidet sich von den ersten vier Büchern, da die ersten vier Bücher HASCHEM Mosche Rabenu diktiert hatte. HASCHEM sprach und Mosche schrieb. Die sprechende Person ist sozusagen HASCHEM. Im Sefer Devorim jedoch schreibt und spricht fast ausschliesslich Mosche Rabenu. So heisst es in den anderen Büchern immer wieder: "וַיֹּאמֶר י-ה-ו-ה אֶל מֹשֶׁה לֵּאמֹר" – [Und HASCHEM sprach zu Mosche folgender-massen]. Dies im Gegensatz zum Sefer Devorim wo es heisst: "וַיְדַבֵּר י-ה-ו-ה אֵלַי לֵאמֹר" – [Und HASCHEM sprach zu mir folgendermassen].
Die Abschiedsrede von Mosche fängt mit der Erzählung weniger angenehmen Taten der Jiden in der Wüste an. Wie sich einerseits HASCHEM um die Jiden väterlich sorgte und wie andererseits die Jiden immer wieder sich schlecht benahmen. Ab dem vierten Kapitel ermahnt Mosche die Mizwot und Averot [die Gesetze] zu beachten. Auch diese Aufzählung der Gesetze ist mit Geschichten umrahmt, welche dem Jid zeigen soll, wie es sich gelohnt hatte und wie es sich auch in Zukunft lohnen wird, ein guter Jid zu sein. So geht es weiter bis zu den letzten drei Parschjot, וַיֵּלֶךְ, הַאֲזִינוּ und וְזֹאת הַבְּרָכָה, wo wieder HASCHEM spricht und von den letzten Tagen von Mosche Rabenu berichtet.
Übertriebene Ortsbestimmung
Wie im dritten Possuk [Satz] angegeben, fing Mosche Rabenu am ersten Schwat mit seiner Rede an. Das Datum des Ableben von Mosche Rabenu wird in der Torah nicht angegeben, von der mündlichen Überlieferung wissen wir jedoch, dass der Hinschied am Schabbes, dem 7. Ador, vierzig Jahre nach dem Auszug geschah.
Im ersten Possuk wird der Standort des Geschehens angegeben:
1. Auf der anderen Seite des Jordanflusses
1. בְּעֵבֶר הַיַּרְדֵּן
2. in der Wüste
2. בַּמִּדְבָּר
3. auf dem Plateau
3. בָּעֲרָבָה
4. gegenüber dem Roten Meer
4. מוֹל סוּף
5. zwischen Poron
5. בֵּין פָּארָן
6. und zwischen Toifel
6. וּבֵין תֹּפֶל
7. und Lovon
7. וְלָבָן
8. und Chazejroiss
8. וַחֲצֵרֹת
9. und `genug Gold`
9. וְדִי זָהָב
Diese Koordinaten tönen übertrieben. Um einen genauen Standpunkt anzugeben, bedarf es viel weniger Zeichen. Tatsächlich erklärt Raschi zur Stelle, dass dies nicht die Feststellung des Ortes ist, vielmehr handelt es sich um das Andeuten jener Ortschaften und jener Taten, bei denen die Jiden anstandswidrig gehandelt hatten.
1.
Auf der anderen Seite des Jordanflusses
בְּעֵבֶר הַיַּרְדֵּן
Die einzige richtige Ortsangabe
2.
In der Wüste
בַּמִּדְבָּר
Als sie dreissig Tage nach dem Auszug kein Brot mehr hatten, baten sie nicht höflich um eine Lösung (anderntags kam das Mon), sondern reklamierten: Weshalb lässt Ihr uns in der Wüste verhungern? 1Schmoiss, 2. Buch Mose 16,3
4.
Gegenüber dem Roten Meer
מוֹל סוּף
Bereits am Ufer des Toten Meer, als sie den heranziehenden Pharo erblickten, reklamierten sie `nicht diplomatisch`... 3Schmoiss, 2. Buch Mose 14,11
6-7.
Und zwischen Toifel …
… und Lovon (=weiss)
וּבֵין תֹּפֶל ...
... וְלָבָן
Keine Orte. Sondern dass sie das weisse Essen (Mon) und beschimpften (=תֹּפֶל)
8.
Und Chazejroiss
וַחֲצֵרֹת
Hier geschah der Streit von Korach
9.
Und `genug Gold`
וְדִי זָהָב
HASCHEM überhäufte sie mit Gold, aus welchem sie das Goldene Kalb machten.
Weshalb entschied sich Mosche Rabenu diese Taten nur anzudeuten und nicht deutlich auszusprechen, erklärt Raschi, dass es keine Ehre der Jiden gewesen wäre, Ihnen alle Fehltaten offiziell aufzulisten.
Hier stellt sich die Frage, bereits ab dem neunten Possuk spricht Mosche deutlich und klar über alles Negative! Und dann durch die ganze Rede hindurch wird alles mit allen Details zu Papier gebracht. Was bringt dann diese Vertuschung am Anfang? Nennt man dies eine Ehre, wenn man erst nach zwei Minuten anfängt, Mores zu lernen?
Auf diese Frage gibt es eine kurze, oberflächige, und leider zutreffende Antwort. Zu viele Menschen lesen nur die Schlagzeilen und lassen sich von diesen beeinflussen. Den ganzen Artikel zu lesen und auf eigene Faust eigene Schlussfolgerungen zu ziehen, für dieses Unternehmen nehmen sich viele nicht die Zeit und Mühe. Sobald Mosche Rabenu in den Schlagzeilen rsp. in den ersten Sätzen das Negative nur andeutete, so war die Ehre aller Schlagzeilen-leser gewahrt…
Eine tiefere Antwort ist, unsere Weisen (die חז"ל) lehren uns,שם שמצוה על אדם לומר דבר הנשמע כך מצוה על אדם שלא לומר דבר שאינו נשמע 5תלמוד בבלי,
יבמות · ס“ה ב‘ [Genauso wie man etwas sagen soll, falls man darauf hört – so soll man es nicht sagen, falls man nicht darauf hört.6Babylonischer Talmud, Yevamot · Blatt 65, Seite 2] Mosche Rabenus Plan war es, den Jiden ihre Fehltritte mitzuteilen, damit sie in Zukunft besser aufpassen werden. Hätte Mosche Rabenu einfach mit der Liste angefangen, so hätte niemand zugehört. So fing Mosche an, alles nur anzudeuten, um zu zeigen, dass er deren Ehre aufrechterhalten will, dass er die Jiden liebt. Nachdem die Jiden dies bemerkt hatten und seine Liebe spürten, jetzt waren sie auch offen, die gut gemeinte Predigt in sich aufzunehmen.
Die Moral von dieser Story: Wollen wir Dampf ablassen, so können wir schon einfach allen Schmutz von sich geben. Ist jedoch das Ziel, jemanden zu belehren, so muss jener zuerst einmal sehen, dass wir an seinem eigenen Vorteil interessiert sind und jener muss unsere Liebe zu ihm spüren.