Raschi zur Stelle sagt:
Raschi erklärt den Zusammenhang. Im Possuk [Satz] stand, dass falls wir IHN dienen werden, wird ER es zeitlich regnen lassen und es wird genug zu essen haben für Mensch & Tier. Nun wäre die erwartete Folge, dass der Possuk das Gegenteil erklärt. Wie etwa: und falls Ihr Euch schlecht benehmen solltet, so wird ER es nicht regnen lassen etc.
Stattdessen kommt auf einmal die Befürchtung und die Mahnung, nicht Götzen zu dienen.
Diese überraschende Folge erklärt Raschi damit, dass dies nicht das Gegenteil ist, sondern die mögliche, natürliche Ergebnis der Sättigung – man rebelliert und schlägt aus.
Hier fragt sich ein jeder, gibt es denn keine armen Leute unter den Nicht-Religiösen? Hat es nach dem Weltkrieg keine Jiden gegeben, welche mit der Torah nichts mehr zu tun haben wollten? Wie kann Raschi behaupten, alle Götzendiener (heutige Atheisten) seien vom richtigen Weg abgekommen, weil sie satt waren?
Um diese Frage zu beantworten, wollen wir ein ganz anderes Thema aufgreifen. Der Gerrer Rebbe, Rabbi Avrohom Mordechai Alter זצ"ל 1seligen Angedenkens
זֵכֶר צַדִּיק לִבְרָכָה
Secher Zaddiq LiW racha macht in einem seiner Briefe eine interessante Bemerkung. Bei jeder Brocho2Segensspruch
בְּרֵכָה
B'rachah, bei jedem Segensspruch bevor man eine Mizwo3Gebot
מִצְוָה
Mizwah macht oder etwas isst, muss man die Brocho unmittelbar bevor der Tat sprechen, nicht dass nach der Brocho noch eine Vorbereitung getätigt wird und auch nicht, nachdem man bereits angefangen hat, die Mizwo zu erfüllen.
Zum Beispiel spricht man die Brocho nicht bereits wenn man die Gebetsriemen erst in der Hand hat und krempelt danach den Ärmel hoch. Auch nicht nachdem man bereits den Riemen angespannt hat, sondern eben genau davor: der Ärmel bereits oben, die T‘fillin stehen bereit auf ihrem exakten Platz, nur sind die Riemen noch locker.
Bemerkt nun der Gerrer Rebbe זצ"ל, dass es bei den Brochois, welche man danach sagt, keinerlei Vorschriften gibt ausser bei der einen. Viele Brochois danach gibt es nicht. Aber zum Beispiel das אֲשֶׁר יָצַר, welches nach der geglückten Entleerung gesprochen wird. Ja, man sollte es schon unverzüglich nach der Händereinigung sagen. Aber es gibt kein Verfallsdatum. Es existiert sogar eine Meinung, dass falls man das אשר יצר nicht gesagt hat bis man ein zweites Mal musste, dass man hinterher zweimal אשר יצר sagt.
Eine weitere Brocho danach ist יִשְׁתַּבַּח nach den פְּסוּקי דְזִמרָה, nach קְרִיאַת התּוֹרָה = אֲשֶׁר נָתַן לָנוּ, nach הַלֵּל = יְהַלְלוּךָ und nach dem Megille-leinen = הָרָב אֶת רִיבֵנוּ. Bei all diesen Brochois ist es schon angebracht, sie baldmöglichst zu sprechen, aber es ist lediglich eine Priorität.
Nur bei der בִּרְכַּת הַמָּזוֹן gibt es ein Verfallsdatum: entweder 72 Minuten nach beenden der Mahlzeit oder solange man noch satt ist, man noch spürt, dass man gegessen hat. Dies ist die Frage des Gerrer Rebbe זצ"ל, was ist der Grund dieser Ausnahme?
Erklärt dies der Gerrer Rebbe זצ"ל mit einer weiteren Halocho4Religiöse Regel
הֲלָכָה
Halacha: Ein Besoffener und jemand, der einen Becher Wein getrunken hat und noch die Auswirkung spürt, darf nicht davenen, [beten]. In einem solchen Zustand stellt man sich nicht vor einen König. Komischerweise bringt Toisfois vom Jeruschalmi, dass ein Betrunkener ja benschen muss! Sogar wenn er richtig stark besoffen ist. Wiederum eine Sonderheit des בִּרְכַּת הַמָּזוֹן: auch wenn jemand benscht, spricht er doch mit dem König aller Könige, weshalb kann und muss er in so einem Zustand benschen?
Erklärt der Gerrer Rebbe זצ"ל, oft steht in der Toire, dass nach dem וְאָכַלְתָּ וְשָׂבָעְתָּ etwas negatives geschehen könnte.
- Bei uns in der Parsche muss man nach dem satt werden aufpassen, nicht dem Götzendienst zu verfallen.
- Später in Ekew 8,14 könnte man nach dem satt werden (פֶּן תֹּאכַל וְשָׂבָעְתָּ) meinen, man sei ohne der Hilfe Gottes, sondern mit der eigenen Kraft reich geworden (וְאָמַרְתָּ בִּלְבָבֶךָ כֹּחִי וְעֹצֶם יָדִי עָשָׂה לִי אֶת הַחַיִל הַזֶּה).
- Lediglich beim benschen, bei ברכת המזון wird auf keine Gefahr hingewiesen.
"וְאָכַלְתָּ וְשָׂבָעְתָּ וּבֵרַכְתָּ אֶת ה' אֱלֹקֶיךָ עַל הָאָרֶץ הַטֹּבָה אֲשֶׁר נָתַן לָךְ"
Hat jemand einen klaren Kopf, kommt er selten auf solche dumme Gedanken, dass die Welt von einem Urknall entstanden sein soll; dass das meistgehasste und meistverfolgte Volk auf natürliche Weise schon fast 2000 Jahr im Exil überlebt hat; dass ein Staat Israel, welcher so klein ist, dass sein Name auf dem Globus im Meer stehen muss, von Millionen von Arabern umringt ist und trotzdem schon über 70 Jahr alle Kriege gewinnt, dass dies ohne Gottes Wunder geschehen sein soll.
Erst wenn jemand satt ist, dann kann in ihm ein solcher Stolz aufkommen, dass er auf solche dummen Gedanken kommen kann. Gott hat uns dagegen ein Medikament gegeben: das Benschen, die ברכת המזון! Hat sich jemand satt gegessen und er dankt dem lieben Gott, dass ER ihm die Nahrung gegeben hat – dann ist das Problem Stolz beseitigt.
Das Problem Stolz existiert nur solange er noch satt ist. Nach 72 Minuten wird die Arznei Benschen nicht mehr benötigt. Und falls sich jemand besoffen hat, so ist die Gefahr umso grösser und so darf er das Medikament Benschen benutzen, obwohl man eigentlich in so einem Zustand nicht vor einen König tritt.
Wir kehren zum Anfang zurück, zur Frage, ob es nach dem Krieg nicht Jiden hatte, welche wegen ihren fürchterlichen Hunger & Leiden nicht mehr fromm geblieben sind. Wie kann dann Raschi behaupten, ein Mensch stoße nur aus, wenn er satt sei?
Die Antwort ist, dass Raschi absichtlich das Verb ausschlagen benutzte! Wenn jemand so stark gelitten hat, dass er nicht mehr die nötige Kraft aufbringen konnte, die Gebote Gottes zu erfüllen, so ist dies kein Ausschlagen! Diesen Personen wurde alles genommen. Dass sie nicht wieder angefangen haben, ihr Leben gemäß den Richtlinien der Torah zu führen, dies kann nicht als Rebellion bezeichnet werden.
Wenn jemand vom Himmel alles nötige bekommen hat, all seine Bedürfnisse sind vorhanden und statt den lieben Gott zu danken, befreit er sich mit krummen Ansichten – dies ist eine Rebellion, dies wird mit ausschlagen definiert.