Benjamins Gedanken zu Wochenabschnitt
Wochenabschnitt Mishpatim
von Poesie zur Prosa des Lebens
Unser Wochenabschnitt “Mishpatim” macht seinen Namen alle Ehre – von den 613 Geboten der Torah enthält er sage und schreibe 53. Im Gegensatz zu den aufregenden Ereignissen der letzten Parascha (Jitro) mit den Zehn Geboten auf dem Sinai-Berg geht es hier um alltägliche Gebote – statt Poesie ist es die Prosa des Lebens. Was bedeutet das für uns, was ist die wahre Bedeutung des viel zitierten und oft falsch verstandenen Prinzips „Auge um Auge – Zahn um Zahn“ und wer sind die wahren Promis in den Augen HaSchems?
Nach dem großen und einzigartigen Ereignis der Offenbarung am Sinai-Berg kommen ordinäre Gebote, die unser tagtägliches Leben bestimmen. Und DAS ist die Größe der aktuellen Parascha – denn die meiste Zeit unseres Lebens sind wir nicht „baOrot“, also in Extase wie bei der Offenbarung, sondern „baKelim“, also in Routine, und im tagtäglichen Leben finden wir die Heiligkeit dafka in den routinemäßigen Geboten (wie z.B. Tefillinlegen)-
Dieses sehr oft zitierte Zitat wird oft als Beispiel für eine „alttestamentarische Rachesucht“ gesehen. Wenn wir allerdings außer dem Zitat das lesen, was unsere Weisen, Chazal, in Jahrhunderten danach dazu geschrieben haben, so sehen wir, dass es dabei eben nicht um Rache geht, sondern um Verhältnismäßigkeit.
Es geht darum, dass der, der ein Auge verloren hat, dementsprechend entschädigt wird (mit einer Geldsumme, die dem davon eingetretenen Schaden entspricht). In anderen Worten geht es nicht um Rache, sondern um die Gerechtigkeit der Strafe, so wie sie heute auch in den Rechtssystemen aller säkularen Demokratien praktiziert wird.
Auch hier ist ein wichtiges Prinzip dargelegt, das in jedem demokratischen Rechtssystem ein Beispiel für Rechtmäßigkeit ist – mildernde Umstände. Menschen, die aufgrund der Umständen ihres Lebens schlechte Entscheidungen treffen (z.B. stehlen) sollen unter Einbeziehung dieser Umstände gerichtet werden. In eine moderne Sprache gefasst – sie erhalten eine Art VIP-Behandlung, wie sonst nur „Promis“.
Ich wünsche allen Lesern, dass Sie sowohl „baOrot“ als auch „baKelim“ die Gebote halten, dass Sie wissen, wie „Auge um Auge“ zu verstehen ist und dass sie, wenn Sie in der Rolle der Richter sind, wenn angemessen, mildernde Umstände walten lassen.
שבת שלום