Diese Woche lernen wir vom grossen Unfall des Goldenen Kalbes.
Wie kam es dazu?
Nachdem HASCHEM beim Berge Sinaï die Zehn Gebote verkündet hatte, mussten auch die restlichen Gebote zu den Jiden gelangen. Die geschriebene Torahrolle war fast 38 Jahre später kurz vor Mosche Rabejnu's Ableben fertiggeschrieben worden. Aber die allermeisten Gesetze sind in der Torah nur kurz angedeutet, wenn überhaupt. So steht in der Torah z.B. lediglich, man habe die Worte der Torah auf den Kopf und die Hand zu binden.
Ob man die ganze Torah zu binden hat [nein, lediglich vier Abschnitte], auf welche Hand [auf die schwächere, also meistens auf die linke], wo auf dem Kopf [vorne auf den Haaren, in der Mitte des Kopfes], in welchem Behälter [in einem viereckigem, aus einem koscheren Tierfell hergestellten Kästchen], die Farbe der Riemen [schwarz] – all dies steht nicht in der geschriebenen Torah. Wie sind dann all diese Gesetze zu uns gelangt?
Die Zehn Gebote bekamen wir am Wochenfest1פשָׁבוּעוֹת
Schawuot , am sechsten oder siebten Tag des Monats Sivan, zu hören. Am nächsten Tag stieg Mosche Rabejnu auf den Berg Sinaï und verweilte dort vierzig Tage. In diesen Tagen lernte Mosche Rabejnu in einem göttlichem Schnellkurs alle Gesetze. In der Zwischenzeit verweilten alle Jiden im Lager am Fusse des Berge Sinaï's. Am 40. Tag erwarteten die Jiden, dass Mosche Rabejnu endlich zu ihnen runter kommt und anfängt, mit ihnen die ganze Torah zu lernen. Aber er kam nicht!
Mosche Rabejnu hatte ihnen angedeutet, dass er erst am 41.Tag kommen werde. Jedoch hatten sie die Andeutung nicht verstanden.
Die Geschehnisse überstürzten sich und am Schluss dienten viele Tausende Jiden dem Goldenen Kalb.
Normal sagt man, sie hätten um das Goldene Kalb getanzt. Dieses Tanzen habe ich nicht gefunden. Was ja steht, ist:
" וַיַּשְׁכִּימוּ מִמָּחֳרָת וַיַּעֲלוּ עֹלֹת וַיַּגִּשׁוּ שְׁלָמִים וַיֵּשֶׁב הָעָם לֶאֱכֹל וְשָׁתוֹ וַיָּקֻמוּ לְצַחֵק "
(שמות ל"ב ו)
„Sie standen aber am anderen Tage früh auf, ließen Emporopfer aufsteigen, brachten Friedensmahlopfer näher, und das Volk setzte sich zu essen und zu trinken, und sie erhoben sich, Mutwillen zu treiben.“
(Sh’mot, Exodus, 2.Buch Mose 13, 16)
HASCHEM drohte, alle Jiden zu beseitigen und ein neues jüdisches Volk von den Nachkommen von Mosche Rabejnu zu bilden. Nachdem Mosche Rabejnu das Goldene Kalb und die Jiden, welche halachisch Götzendienst getätigt hatten, eliminiert hatte, stieg er abermals auf den Berge Sinaï und bat HASCHEM, er soll den Jiden verzeihen. Nach vierzig Tagen erreichte er sein Ziel – HASCHEM verzieh den Jiden.
Hier kommt die Überraschung, der Switch in der Story: Mosche Rabejnu bittet HASCHEM, ER solle sich ihm zeigen!
Und HASCHEM ist im großen Ganzen einverstanden. Ein Lebendiger könne zwar HASCHEM nicht richtig sehen. Aber ER zeigte sich ihm sozusagen von hinten. Obendrauf verrät ER ihm auch seine 13 Eigenschaften des Erbarmen
י"ג מידות של רחמים. שמות ל"ד ו' ז'.
Sh’mot, Exodus, 2.Buch Mose 34, 6-7. Die dreizehn Eigenschaften der Barmherzigkeit
und erklärt, dass falls die Jiden in Zukunft wieder Sünden begehen sollten, dass sie dann im Gebet diese 13 Eigenschaften des Erbarmen erwähnen sollten und ER dann wiederum verzeihen werde.
Und hier stellt sich die Frage, war dies der richtige Zeitpunkt, so eine grosse Bitte zu stellen? Gerade nachdem HASCHEM eines der grössten Sünden verziehen hatte? Und ER willte sogar noch ein! Wie kam es zu solch einem riesigen Umschwung der Gefühle?
Erklärt Rabbi Elijahu von Wilna , wenn zwei Individuen Freunde werden, sich verstehen und sich immer mehr lieben – so wissen sie noch nicht, ob ihre Freundschaft so stark ist, dass sie auch schwere Zeiten überstehen werde oder nicht. Erst nachdem sie einmal Grund zum Streiten hatten und sie sich tatsächlich zankten – danach aber ihre starke Freundschaft wieder die Oberhand erhielt und sie wieder zueinander fanden – jetzt wissen beide, dass ihre Freundschaft tatsächlich stark ist. Sie übersteht auch Erdbeben und Durststrecken!
Dies war hier geschehen. Mosche Rabejnu war sich nicht sicher, ob HASCHEM die Jiden so stark liebe, das die Liebe auch schwere Zeiten überleben werde oder nicht. Erst nachdem Mosche gesehen hatte, dass SEINE Liebe so stark ist, dass sie IHN sogar so eine grosse Sünde wie das Goldene Kalb verzeihen liess – da erlaubte sich Mosche, diese riesige Bitte vorzubringen. Und tatsächlich, da ER uns so stark liebt, offenbarte ER uns die 13 Eigenschaften des Erbarmens, damit ER uns auch in Zukunft unsere Sünden verzeihen wird.
Erklärt der Gaon von Wilna weiter, dass wir dies auch im Morgengebet sagen. Im Segensspruch vor dem Schma Jisrael danken wir dafür, dass ER uns so gern hat. Der Segensspruch startet mit den Worten:
Eine Liebe ist ein einfaches, positives Gefühl. Erbarmen kommt auf, wenn eigentlich etwas Negatives geschehen ist und statt sich abzuwenden, umgekehrt Erbarmen aufkommt. Und dieses Erbarmen ist viel intensiver als die einfache Liebe. So wird die Liebe nur mit 'gross' betitelt. Das Erbarmen wird mit 'gross und überwältigend' angegeben.
Denn nach einer Versöhnung weiss man, dass die Liebe so stark ist, dass sie auch schwere Zeiten zu überwinden im Stande ist.