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Der Wochenabschnitt
וַיְחִי‎‎
WaJechi

Aktuelle Themen zur Wöchentlichen Parascha, aus Jerusalem der Heiligen Stadt, ת"ו


Einmal saß ich in der Synagoge und lernte mit meinem Sohn. Vor mir saß ein Jid, der statt mit seinem Sohn zu lernen, mit einem anderen Kind schwatzte. Ich wusste, dass dieses Kind kürzlich seinen Vater verloren hatte und verstand, weshalb dieser Jid seinen Sohn warten ließ, nicht mit seinem Sohn lernte und in der Synagoge schwatzte. Nach ein paar Minuten war das Gespräch beendet und der Waise verließ die Synagoge. Da wandte sich der Jid zu mir und erklärte mir, er wolle nicht, dass ich schlecht von ihm denke. Deshalb will er mich wissen lassen, dass er sich mit einem Waisen abgegeben hat. Ich nickte verständnisvoll und der Jid fing an, mit seinem Sohn zu lernen.

Das Geschehene machte mir Gedanken. Der erste Gedanke war spöttisch. Ich dachte, falls dieser Jid sicherstellen möchte, dass niemand schlecht von ihm denkt, dann soll er vielleicht seine Richtigstellung ausrufen, denn nicht nur ich hatte ihn gesehen, viele Menschen waren in der Synagoge anwesend.

Mein zweiter Gedanke war dann sachlicher: ich fragte mich, ob HASCHEM will, dass ein Jid sicherstellen soll, dass man nicht schlecht von ihm denkt oder ist man berechtigt richtig zu handeln, auch wenn Anwesende meinen können, ich täte etwas verbotenes, etwas unanständiges.

In der Parsche1פָּרָשָׁה‎
Wochenabschnitt
lernen wir, wie sich Jaakov Owinu2יַעֲקֹב אָבִינוּ
unser Stammesvater Jaakov
auf sein Ableben vorbereitete. Unter anderem bat er seinen Sohn Josef, ihn nach seinem Ableben nicht in Ägypten zu begraben, sondern ihn ins Heilige Land nach Hebron zu bringen und in der Me'oras HaMachpejlo3מְעָרַת הַמַּכְפֵּלָה
Höhle der Patriarchen
beizusetzen. Bei dieser Gelegenheit erklärt ihm Jakov, weshalb er seine Mutter Rachel in Betlehem und nicht in Hebron, in der Me'oras HaMachpejlo begraben hat. Jakov will also Josef nur deshalb erklären, weshalb er seine Mutter nicht ehrenvoll nach Hebron gebracht hatte, damit Josef sich nicht verletzt fühlen soll und womöglich danach Jakov doch in Ägypten zu begraben.

Jaakov hatte seine letzten siebzehn Lebensjahre glücklich unter der Obhut seines Sohnes Josef in Ägypten verbracht. Weshalb hatte er nicht bereits in einem dieser Jahre Josef erklärt, weshalb er seine Mutter bei ihrer Beerdigung degradiert hatte? Weshalb störte es ihn nicht, dass sein Sohn ihn vielleicht falsch einschätzt und schlecht von ihm denkt?

Es sieht aus, dass falls man das Richtige macht, es keine Pflicht gibt, anderen Menschen nachzurennen und sich zu erklären.

Andererseits, als Chana4חַנָּה , die später die Mutter von Schmuel HaNowi5שְׁמוּאֵל הַנָּבִיא
der Prophet Samuel‎
wurde, in einer Art betete, welche damals noch nicht gängig war und Eli HaKohen, der damalige Oberpriester meinte, sie sei besoffen, da erklärte sie ihm, dass sie keinerlei Alkohol zu sich genommen hatte und sie deshalb anders als normal betet, da sie verbittert sei.6Schmuel 1.1.13 Der Talmud lernt davon, dass man sich ja zu erklären hat.7Brachot 31a

Gespendetes Geld muss von mindestens zwei Menschen verwaltet werden, denn einen einzelnen Menschen würde man der Unterschlagung verdächtigen.8Schulchan Aruch
Jore Dea 257
Es ist verboten, Fleisch in Mandelmilch kochen, Mandelmilch sieht tierischer Milch gleich.9Schulchan Aruch
Jore Dea 87 3
Das Öffnen eines Regenschirms ist am Schabbes verboten, da man am Schabbes keine Überdeckung machen darf. Das Benutzen eines bereits geöffneten Schirmes ist nur verboten, weil Menschen glauben würden, er hätte es am Schabbes geöffnet.10שו"ת נודע ביהודה תניינא אורח חיים ל'

Der Talmud bringt verschiedene Psukim11פְּסוּקִים
Sätze der Bibel
, aus denen ersichtlich ist, dass man nicht erlaubtes tun soll, wenn Mitmenschen seine Tat falsch auslegen werden. Z.B. וִהְיִיתֶם נְקִיִּם מֵיְדֹוָד וּמִיִּשְׂרָאֵל – [macht dies] und ihr werdet sauber sein in den Augen GOTTES und in den Augen von Israel.12Bamidbor 32.22 Weiter steht וְעָשִׂיתָ הַיָּשָׁר וְהַטּוֹב – Du sollst das Gerade und das Gute machen.13Dvorim 6.18 Mit dem Geraden und mit dem Guten ist das Richtige in GOTTES Augen und das Richtige in den Augen der Menschen gemeint.

Und doch hatte Jaakov seinen Sohn jahrelang nicht wissen lassen, weshalb er seine Mutter nicht in ihrem eigentlichen, ehrenvollen Grab beigesetzt hatte.

Nach eingehendem Studium des Talmudischen Lexikon14אנציקלופדיה תלמודית ערך חשד, מראית עין und der Halacha15הֲלָכָה
religiöses Gesetz
16Schulchan Aruch
Choschen Mischpat 14 4
sieht es mir aus, dass die Regeln wie folgend lauten:

  1. Ist man zu einer Tat verpflichtet, [zum Beispiel die Gebetsriemen anzuziehen] so muss man dies tun, auch wenn man sich zwischen Menschen befindet, die sich über ihn lustig machen und ihn ausspotten.17Schulchan Aruch
    Orach Chaim 1. 1
  2. Viele Taten wurden verboten, damit andere nicht denken, man handle gegen das Gesetz.
  3. Hat man eine Tat bereits gemacht, so muss man sich nur bei anderen erklären, wenn sie danach fragen oder wenn es passieren könnte, dass andere sich sagen, wenn jener sich nicht an die Regeln hält, dann ich auch nicht.

Jaakov wusste, dass Josef nicht vom Weg abgehen wird, nur weil er seine Mutter am falschen Platz begraben hat. So bestand im Moment kein Erklärungsbedarf. Erst als Jaakov Josef darum bitten musste, ihn persönlich nicht in Ägypten beizusetzen, da musste er ihm alles erklären, damit Josef sich die Mühe nehmen wird und ihn zur Me'oras HaMachpejlo bringen wird.
Es scheint mir, dass die Person, welche mit dem Waisenkind geplaudert hatte, nicht verpflichtet war, allen zu erklären, dass er richtig gehandelt hatte. Niemand hätte angefangen in der Synagoge zu plaudern, nur weil er dies gemacht hatte.

 
 

 

Gut Schabbes
Moische Bollag

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13. Tewet 5783, 06. Januar 2023,

 

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