Diese Woche lernen wir von einem der Spitzenreiter in der Liste der Bösen: den Menschen aus S’dom1סְדֹם.
Letzte Woche hatte Abraham Owinu2אָבִינוּ
unser Vater den Lot gebeten, dass sie nicht allzu nahe beieinander leben sollen. Lot suchte einen neuen Wohnort und entschied sich ausgerechnet für S’dom!
Die Torah stellte uns die Menschen von S’dom vor mit den Worten:
In dieser Woche erzählt uns die Torah, wie zwei Gäste, zwei Engel nach S’dom kamen, Lot sie bei sich aufnahm und daraufhin sich alle Bürger von S’dom versammelten, von groß bis klein, und die ungebetenen Gästen nach S’domer Art behandeln wollten. Daraufhin wollte Lot zwei seiner Töchter freigeben! Dies ist sehr komisch und widerspricht klar dem jüdischem Gesetz.
Entweder hatte Lot vom Einfluss seiner S’domer Nachbarn gelitten und seine Denkweise hatte sich total verkrümmt oder hatte Lot verstanden, dass seine zwei Gäste Engel waren und hatte evtl. geglaubt, dass er mit seiner Tat die ganze Stadt S’dom von der Strafe der Engel retten kann.
Die Engel ließen die Freigabe der Töchter von Lot nicht zu und kehrten S’dom um.
Wenn man das Buch der Richter3סֵפֶר שׁוֹפְטִים lernt, so stößt man am Schluss auf eine traurige Geschichte4Richter Kapitel 19-21. Eine Frau von Bethlehem heiratete einen Mann von Efraim. Eines Tages verließ sie ihren Mann von Efraim, welches im nördlichen Teil von Erez Israel liegt, und kehrte zu ihrem Vater zurück in Bethlehem, südlich von Jeruscholajim5סֵפֶר שׁוֹפְטִים. Nach vier Monaten holte sie ihr Ehemann zurück und als sie auf ihrem Heimweg durch das Land von Benjamin zogen (gerade nördlich von Jeruscholajim), geschah mit ihnen (fast) genau das, was beinahe mit den Töchtern von Lot geschehen wäre! Die Einwohner von Benjamin verlangten die Freigabe des Mannes. Der Gastgeber wollte stattdessen seine eigene Tochter und seine eigene Frau freigeben.
Hier stellt sich wiederum die Frage, dass es gegen das jüdische Gesetz verstösst. Hier können wir die Antworten, welche wir bei Lot angegeben haben, nicht verwenden. So verweisen wir auf den Schulchan Aruch, Joreh De’ah 157/A.
ודוקא כשאומרים לו לעשות מעשה, כגון שאומרים לאיש לגלות ערוה או שיהרג, אבל אם אונסים לאשה לבא עליה... אין צריך ליהרג.
(שולחן ערוך יורה דעה סימן קנ"ז סעיף א)
Zum Schluss gab der Gast seine Frau frei, diese wurde die ganze Nacht benutzt und als sie am Morgen freigegeben wurde, da fiel sie tot um. Als Reaktion gab es einen großen Bruderkrieg, alle elf Stämme gegen den Stamm Benjamin mit vielen Toten auf beiden Seiten.
Die Frage, die man sich stellt ist, weshalb bei S’dom machte HASCHEM dem bösen Treiben einen Schlussstrich und bei der gleichen Geschichte mit dem Stamm Benjamin blieb HASCHEM passiv?
In einem Werk unserer Weisen wird Abraham Owinu als das Gegenstück von S’dom gehandelt. Nun war Abraham Owinu schon der Begriff des Gebens. Aber die Menschen von S’dom waren zwar keine Geber, auch sie raubten nichts. Ihre Gegend war äußerst reich und ihre schauerlichen Taten hatten eigentlich das Ziel, Fremde auf Entfernung zu halten. Wenn unsere Weisen S’dom trotzdem als Gegenstück von Abraham Owinu handeln, so hat dies eine tiefere Bedeutung.
Den Tieren hat HASCHEM einen Instinkt gegeben. Wenn z.B. ein Hund einen Mensch rettet, so war dies nicht seine Entscheidung, sondern seine Natur. Nur wir Menschen sind von den Instinkten befreit, wir besitzen einen guten Willen, einen Drang zum Guten 6den יֵצֶר הַטּוֹב und einen schlechten Drang. Jederzeit können wir entscheiden, welchem Drang wir nachgehen.
Diese zwei entgegengesetzten Kräfte haben zur Folge, dass nachdem wir eine schlechte Tat gemacht haben, sich der Drang zum Guten meldet und uns ein schlechtes Gewissen verursacht. Und oft nach einer guten Tat probiert der Drang zum Schlechten uns dazu zu bringen, die gute Tat zu bereuen.
Abraham Owinu hatte es geschafft, seinen Drang zum Schlechten umzustimmen: auch sein böser Wille wollte nur noch Gutes tun.
Dovid HaMelech [דָּוִד הַמֶּלֶךְ] hatte es auch probiert. Aber er war wie auch Esow [עֵשָׂו] rot geboren und hatte einen riesigen Drang zum Schlechten. Es war Dovid Hamelech nicht möglich, seinen negativen Drang umzustimmen. So tötete er ihn sozusagen mit Gebeten und Fasttagen. So sagt er im Psalmen 109,22: Mein Herz ist hohl, וְלִבִּי חָלַל בְּקִרְבִּי. Hohl, da ohne bösen Trieb.
Nach seinen guten Taten hatte Abraham Owinu mit der Zeit keinen Hang mehr zur Reue.
Und genau hier waren die Einwohner von S’dom das Gegenteil von Abraham Owinu!
Ihre Gräueltaten waren in ihrem Gesetzbuch verankert! Sie behaupteten, ihr Tun und Handeln sei das ethisch Richtige. Nach vollbrachter Tat hatten sie keine Reue, sie hatten ihren Hang zum Guten beseitigt. Und deshalb handelte HASCHEM persönlich. Es bestand auch keine Hoffnung mehr, dass sie eines Tages Teschuva7תְּשׁוּבָה
Reue (Rückkehr) machen sollten, da sie ja behaupteten, sie täten alles richtig.
Der Stamm Benjamin hingegen hatte vielleicht die gleichen Taten gemacht, jedoch wird nirgends berichtet, sie hätten ein entsprechendes Gesetzbuch verfasst. Nach ihren Taten hatten sie Gefühle der Reue. Somit bestand Hoffnung, dass sie eines Tages Reue haben werden und HASCHEM blieb passiv.
Oft kommt bei uns ein Gefühl auf, wir täten alles falsch und wir könnten nur sehr schwer zurück auf den richtigen Weg. Diesem Gefühl der Ohnmacht können wir antworten, dass wir GOTT sei Dank nach unseren schlechten Taten immer noch Reuegefühle haben. Somit besitzen wir immer noch einen Trieb zum Guten und werden es nicht allzu schwer haben, zu HASCHEM zurückzukehren.