Acharej Mot
Von Sündenböcken, Hohepriester und K’toret
Der Wochenabschnitt Acharej Mot:
- Was hat das mit dem Sündenbock auf sich, das in der Paraschaⓘפָּרָשָׁה
Wochenabschnitt wohl zum ersten Mal überhaupt erwähnt wird? - Warum soll der Hohepriester am Jom Kippur NICHT Gold tragen?
- Was sagt der Chassidismus über K‘toretⓘקְטֹרֶת
Weihrauch?
In die Wüste geschickt
Rabbiner Jonathan Saks sz”l bezeichnet das Ritual der beiden Ziegenböcke als das “seltsamste und dramatischste Element des Opferdienstes am Jom Kippur”: Zwei Ziegenböcke werden zum Hohepriester gebracht, wobei Lose gezogen werden - einer "für HaSchem”, einer “zum Asasel”ⓘלַעֲזָאזֵל
LaAsasel. Der Bock, auf den das Los „für HaSchem“ fiel, wurde als Opfer dargebracht. Über den anderen sprach der Hohepriester die Beichte für die Sünden des Volkes. Daraufhin wurde der Bock in die Wüstenhügel außerhalb Jerusalems gebracht und stürzte dort in den Tod.
Es gibt sehr vieles Rätselhaftes hier - beispielsweise, was ist Asasel? Ein Ort, wie Ibn Ezra es interpretiert? Ein Dämon, oder feindliche Macht, wie der RambaN es interpretiert? Oder, wie es ein William Tyndale ins Englische übersetzte, ein “escape goat”, woraus später scapegoat wurde, also der Sündenbock?
Die wichtigere Frage ist: Warum wird der Bock am Jom Kippur in die Wüste geschickt? Dazu sagt der RambaM folgendes (Führer der Unschlüssigen, 3:46) :
“Es besteht kein Zweifel, dass Sünden nicht wie eine Last getragen und von der Schulter des einen genommen werden können, um auf die eines anderen gelegt zu werden. So sind diese Zeremonien symbolischen Charakters und dienen dazu, den Menschen eine bestimmte Vorstellung zu vermitteln und sie zur Buße zu bewegen – als würden wir sagen wollen, wir haben uns von unseren früheren Taten befreit, sie hinter uns geworfen und uns so weit wie möglich von ihnen distanziert.”
Um es zusammenzufassen, ist die Botschaft hier: „Hasse nicht den Sünder, sondern die Sünde“ - und gebe dem Sünder die Möglichkeit, T‘schuwahⓘתְּשׁוּבָה
Buße,
wörtlich: Rückkehr zu machen.
Jom Kippur - ohne Gold
Gewänder aus weißem Leinen muss der Kohen HaGadolⓘכֹּהֵן הַגָּדוֹל
Hohepriester tragen, also ohne das Gold, das er sonst trägt.
Warum ist das so?
Raschi gibt dazu die folgende Erklärung: אֵין קָטֵגוֹר נַעֲשָׂה סָנֵגוֹר - "Ejn Kategor Na'asse Sanegor - Ein Ankläger kann nicht auch Verteidiger sein".
Nachdem Gold zur Herstellung des Goldenen Kalbes verwendet worden war, war es undenkbar, dass der Hohepriester ins Allerheiligste gehen und dort sich um Sühne für das ganze Volk einsetzen sollte und dabei dann in mit Gold verbrämte Gewänder gehüllt wäre; damit würde nur wieder an die Sünde erinnert werden
Ein weiterer Grund ist Bescheidenheit - ein weißes Gewand aus einfachen Leinen, in dem man auch beerdigt wird, ist das Gegenteil des glitzernden, Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Gold. Nur wenn der Kohen HaGadol die leinenen Kleider eines "gewöhnlichen" Kohen trägt, kommt er in den Zustand von wahrer, ungekünstelter Demut. Erst dann kann und soll er das Kodesch HaKodaschimⓘקֹדֶשׁ הַקֳּדָשִׁים, das Allerheiligste betreten.
K’toret - Spray, um Gerüche zu übertünchen?
Das K’toret (manchmal als “Weihrauch” übersetzt) war eine besondere Mischung aus elf Kräutern und Balsamen, deren genaue Zutaten und Zubereitungsart Haschem Moses befohlen hatte.
Die Darbringung des K’toret war eines der prestigeträchtigsten und heiligsten Zeremonien des Tempels: Zweimal am Tag wurde K’toret auf dem goldenen Altar im Tempel verbrannt. An Jom Kippur betrat der Kohen HaGadol das Allerheiligste mit einer Pfanne voller glimmender Kohlen in der rechten Hand und einer mit K’toret gefüllten Kelle in der linken Hand. Dort nahm er das K’toret in seine Hände, legte es über die Kohlen, wartete darauf, dass sich die Kammer mit dem duftenden Rauch des brennenden Weihrauchs füllte, und verließ dann schnell den Raum wieder. Dieser Moment markierte den Höhepunkt von Jom Kippur im Heiligen Tempel.
Die Erklärung des RambaM (Führer der Unschlüssigen, 3:45) ist recht simplistisch:
„Da jeden Tag viele Tiere an dem heiligen Ort geschlachtet, ihr Fleisch geschlachtet und verbrannt und ihre Eingeweide gereinigt wurden, erinnerte ihr Geruch zweifellos an den Geruch eines Schlachthauses. . . Deshalb befahl Haschem, das K’toret zweimal täglich, jeden Morgen und Nachmittag, zu verbrennen, um (dem Heiligen Tempel) und den Kleidungsstücken derer, die darin dienten, einen angenehmen Duft zu verleihen.“
Rabbenu Bechja sagt, dass es nicht sein, dass der RambaM diese Erklärung wörtlich meint - „G-tt bewahre, dass das große Prinzip und Geheimnis des K’toret auf diesen weltlichen Zweck reduziert wird.“
Der Chassidismus erklärt, dass die im Heiligen Tempel dargebrachten Tieropfer die Hingabe der eigenen tierischen Seele des Menschen darstellen. Und das ist die tiefere Bedeutung des üblen Geruchs, der von den Opfern ausgeht und den das K’toret vertreiben sollte. Daher das Verbrennen des K’toret, das die einzigartige Fähigkeit besaß, den bösen Geruch der tierischen Seele in seinem himmlischen Duft zu sublimieren.