D'warim:
Zu viel des Guten!
Unser Wochenabschnitt öffnet das letzte der 5 Bücher Moses (sowohl das Buch als auch der Wochenabschnitt heißen D‘warimⓘדְּבָרִים
Dinge) und schließt die 3 Trauerwochen - es ist der letzte Schabbat vor Tischah b’Awⓘתִּשְׁעָה בְּאָב, und wird daher auch „Schabbat Chason“ⓘשַׁבַּת חֲזוֹן (Schabbat der Vision) genannt
- Warum heißt einer der Orte von Mosche Rabbenus Rede “zu viel Gold”, und was hat das mit der Sünde vom Goldenen Kalb zu tun?
- Ist es spirituell besser, bevorzugt oder benachteiligt zu werden?
- Wen bevorzugt der Gaon von Wilna - Engel oder Menschen?
- Was ist nach chassidischer Ansicht die Vision des “Visions-Schabbat”?
Zuviel des Guten
„Di Sahab“ schreibt sich auf Hebräisch genauso wie „Daj Sahav“, also “zu viel Gold”.
Nach Rabbi Jannai ist dies eine Anspielung auf die Sünde des Goldenen Kalbs. Im Gefolge dieser Sünde sagte nach dieser Auslegung Mosche Rabbenu zu HaSchem: „Herr des Universums, das Gold und Silber, das du Israel überschüttet hast, bis sie genug sagten, veranlasste sie, das Goldene Kalb zu machen!“
In diesem Zusammenhang sagt der Prophet Hoseaⓘהוֹשֵׁעַ:
Hosea sieht hier eine Verbindung zwischen der himmlischen Überschüttung des Volkes Israels mit materiellen Gut und dem Götzendienst (mit “ich” ist Haschem gemeint, Baal war eine Götze u.a. der Kanaaniter), zu dem das Volk Israel verführt wurde - ebenso wie die himmlischen Überschüttung des Volkes mit Gold beim Auszug aus Ägypten, und der Sünde des Goldenen Kalbs.
Warum also “Daj Zahav” (zu viel Gold)?
Weil - einfach ausgedrückt - wir spirituell faul werden, wenn es uns zu gut geht.
Dazu eine Anekdote: Der Alte Rebbe (1745-1812), der Gründer der Chabad-Bewegung, war aus Litauen, damals vom russischen Zar regiert, der ihn zweimal verhaften ließ. Auch allgemein waren Juden unter dem Zar auf etlichen Wegen diskriminiert.
Ganz anders war es bei Napoleon Bonaparte, unter den 1791 die Juden Frankreichs den Status eines Bürgers (citoyen) bekommen hatten. Dies brachte ihnen zum ersten Mal in einem europäischen Land die Bürgerrechte.
Und trotzdem bevorzugte der Alte Rebbe den Zar und war gegen Napoleon.
So ist folgendes Gespräch während des Frankreich-Russland-Krieges zwischen dem Alten Rebbe und anderen großen Rabbiner überliefert:
Der andere Rabbiner: „Fonjeh (gemeint war der Zar) ganew, Fonjeh noef, Fonjeh rozeach.“ (der Zar stiehlt, begeht Ehebruch und ist ein Mörder). Gemeint war: „Warum unterstützen Sie den Zaren, ist er nicht ein Mörder, genau wie Napoleon?“
Der Alte Rebbe antwortete in seiner einzigartigen Melodie: „Fonjeh noef, Fonjeh rozeach, ober er is nischt ma‘alim af Echod.” (Der Zar stiehlt, begeht Ehebruch und ist ein Mörder, aber zumindest ist er nicht gegen den Glauben an HaSchem.)
In anderen Worten: Die Emanzipation gibt den Juden zwar Rechte, aber sie bestiehlt sie um ihres Glaubens.
Die Geschichte hat dem Alten Rebben Recht gegeben: Während in Frankreich (und später Deutschland und Westeuropa) die emanzipierten Juden sich assimilierten, hielten sie in Russland (Osteuropa) an ihrem Glauben fest.
Einfach ausgedrückt: Die Peitsche (der Umgebung) stärkt den Glauben, das Zuckerbrot nicht unbedingt.
Über Stehende Engel und gehende Menschen
Der Gaon von Wilna zitiert in diesem Zusammenhang das Folgende von Sacharjaⓘזְכַרְיָה
S’charjah:
Die da stehen - das sind Engel. Der Gaon von Wilna meint diesbezüglich: Obwohl Engel praktisch makellos sind, und auf dem höchsten spirituellen Niveau sind, begrenzt sie diese Größe, da sie STEHEN, also während ihrer gesamten Existenz statisch und unverändert bleiben. Menschen hingegen machen sicherlich Fehler, aber sie besitzen auch die einzigartige Fähigkeit, sich zu entwickeln und zu verbessern.
Ein Schabbat - eine Vision
Das erste Wort der Haftarahⓘהַפְטָרָה dieses Schabbats ist Chasonⓘחָזוֹן
Vision (und wie gesagt, der Schabbat vor Tischah b’Awⓘתִּשְׁעָה בְּאָב wird Schabbat Chasonⓘשַׁבַּת חֲזוֹן – „Visions-Schabbat” genannt).
Was ist aber diese Vision?
Nach chassidischer Tradition wird an diesem Schabbat die Seele jeden Juden mit einer Vision des dritten Heiligen Tempels belohnt, der mit der Ankunft des Messias wieder aufgebaut wird.
Dann wird auch diese Vision Wirklichkeit werden, die einst auf der - eine Zeitlang sehr friedliche - Grenze zwischen Israel und Libanon auf einem Schild stand:
Und hoffen wir dass diese Vision „Bim’herah U-BiJamenu“ⓘבִּמְהֵרָה וּבִּימִינוּ
Schnell und noch zu unserer Zeit, sich erfüllt!