Jitro - die Stimmen SEHEN
In unserem Wochenabschnitt lesen wir von dem prägendsten Ereignis des jüdischen Volkes, und einigen sagen, der Menschheit - Matan Torah1מַתַּן תּוֹרָה
Übergabe der Thorah, also die Offenbarung am Sinai, mit den Zehn Geboten.
Warum hat das Volk Israel2עַם יִשְׂרָאֵל
Am Israel die Stimmen nicht gehört, sondern gesehen? Waren die zehn Gebote wirklich zehn, und waren es wirklich Gebote? Welches ist wahrscheinlich das schwierigste Gebot zum Einhalten, und warum? Und - was hat es mit S‘udat Jitro3סְעוּדַּת יִתְרוֹ
Festmahl zu Ehren Jitros auf sich?
Sie sahen die Stimmen
Kein Schreibfehler: Das Volk Israel S-A-H die Stimmen! Was ist der Unterschied zwischen Sehen und Hören? Hören ist ein Prozess, wo man jeweils nur einen kleinen Teil des Puzzles hat, z.B. bei einer Symphonie - es ist unmöglich, sie ganz auf einmal zu hören. Nicht so beim Sehen: Man kann ein riesiges Bild mit vielen Details auf einmal sehen.
Der renommierte Arzt und Rabbiner Akiva Tatz meint dazu, dass Am Israel die Gesamtheit der Einheit HaSchems, seiner Liebe, seiner Macht über alles, gesehen hat.
Die 10 (?) Gebote (?)
Die Zehn Gebote kennt man nur unter diesem Namen. In unserer Paraschah4פָּרָשָׁה
Wochenabschnitt erhalten sie keinen Namen, später werden sie als Asseret HaDibrot5עֲשֶׂרֶת הַדִּבְּרוֹת
Zehn Mitteilungen (Sch’mot, 2. Moses 34:28) bezeichnet. Von Geboten ist nicht die Rede.
Und waren es 10? Wie Radio Eriwan sagen würde, im Prinzip ja: So wird es zwar in 10 eingeteilt, aber nicht jedes ist ein Ge- oder Verbot.
Wie Rabbiner Jonathan Sacks z”l in seinen Ausführungen zu Jitro sagt, kann man sie auch als zwei (Gebots-Gruppen) sehen (so wie die zwei Gesetzestafeln), nämlich Bejn Adam LaMakom6בֵּין אָדָם לַמָּקוֹם
zwischen Mensch und HaSchem und Bejn Adam LaChawero7בֵּין אָדָם לַחֲבֵרוֹ
zwischenmenschlich. Oder als drei (Gebots-Gruppen): HaSchem, Erschaffung (zB Eltern, Schabbat, wo wir u.a. uns an die Erschaffung der Welt erinnern) und Gesellschaft.
Das schwierigste Gebot
Warum ist dieses - das letzte Gebot - nach der Meinung vieler Rabbiner (und auch meiner eigenen) das schwierigste? Weil es im Gegensatz zu den anderen Geboten nicht eine Tat verbietet (Mord, Diebstahl, Götzendienst usw.), sondern einen Gedanken! Selbst wenn ich nichts tue, darf ich das Haus meines Nachbarn nicht einmal begehren, nicht einmal finden, dass “sein Rasen grüner" (als meiner) ist!
Was hat es mit diesem Gebot auf sich? Hier kommen wir zurück zu “Sie sahen die Stimmen” (siehe oben) - die Torah sagt uns, wir sollen DAS GANZE BILD sehen, also nicht nur den (grünen) Rasen des Nachbarn, sondern auch das Pekel8פּעקל
Paket (Jiddisch), das er mit sich rumschleppt. Und dann haben wir statt Neid Mitgefühl mit ihm.
Ein Festmahl zu Ehren Jitros?
EIn Minhag9מִנְהָג
Brauch tunesischer Juden ist es, am Donnerstag vor Paraschat Jitro ein Festmahl zu halten, dass einige S’udat Jitro, andere S’udat HaBanim10סְעוּדַּת הַבָּנִים
Festmahl der Söhne nennen.
Was hat es damit auf sich? Drei Erklärungen:
- 1. Eine schreckliche Pandemie in den Kehillot11קְהִילּוֹת
Gemeinden von Tunesien, die viele Todesopfer forderte, hörte zu Paraschat Jitro auf. U.a. waren es die S’gulot12סְגוּלּוֹת
„Abhilfe“ oder „Schutz“ der Tauben, weswegen oft Taubenfleisch in dieser S‘udah13סְעוּדָּה
Festmahl gegessen wird. - 2. Ein Festmahl wird in der Paraschah erwähnt (siehe oben), und so wie Jitro gibt man auch seinen Kindern (einschließlich Schwiegersöhne) eine S‘uda, was auch den zweiten Namen (S‘udat HaBanim, also Festmahl für die Söhne) erklärt.
- 3. Und das ist meiner Meinung nach der schönste Pejrusch14פֵּרוּשׁ
Deutug/Auslegung: die 10 Gebote! Jedes Kind, das lernte, die Torah zu lesen (und zu leinen15ליינען
laut vorzulesen (Jiddisch) konnte zum ersten von Mal Matan Torah LESEN - und, und damit kommen wir zu einem der Hauptthemen dieses Wochenabschnitts zurück - die Torah nicht nur hören, sondern auch SEHEN.