Pinchas
Der sanfte Fanatiker
In unserem Wochenabschnitt wird Pinchas, der im Eifer ein Mitglied des Stammes Schimon und dessen Geliebte (Tochter eines der Könige Midjans) tötet, dafür - für seinen Glaubenseifer - von Haschem belohnt.
- Wie kann das sein? Sind Fanatismus und Selbstjustiz nicht schlechte Tugenden?
- Was ist die Verbindung zum Großvater Pinchas, Aharonⓘאַהֲרֹן?
- Was ist die Verbindung zum Birkat HaMinimⓘבִּרְכַּת הַמִּינִים „Segen bezüglich der Ketzer“ Gebet und zum Autor dieses Gebets?
Ein Verbrechen aus Leidenschaft
Pinchas tötet (nach dem Talmud durch einen Speerstoß) im Eifer einen Juden, der öffentlich unmoralisch mit einer Midjaniten gibt. Dabei ging es nicht nur um verbotenen Geschlechtsverkehr, sondern um einen von Bileamⓘבִּלְעָם
Bil‘am, einer der fünf Könige von Midjan - von dem wir letzte Woche lasen - ausgearbeiteten Plan, das Volk Israel zum Götzendienst zu bringen, ein Plan, der bis zur Reaktion von Pinchas aufgegangen war, und für die Haschem sein Volk mit einer Plage bestrafte, die 24.000 Juden das Leben kostete.
Ein Verbrechen – L‘Schem Schamajim*
* לְשֵׁם שָׁמַיִם- für einen edlen und moralischen Zweck; zur Heiligung des Namens Gottes
Pinchas reagierte aber nicht einfach im Affekt, aus Zorn, der - wie wir bei Paraschat Chukat gesehen haben - eine große Sünde ist. Dafür hätte Haschem ihn bestraft, nicht belohnt!
Hier ist aber genau das Gegenteil der Fall!
Pinchas wird hier mit seinen Vorfahren erwähnt. Warum? Weil Pinchas seine Charaktereigenschaften von Aharon, seinem Großvater, hat! Und dieser wird als sanftmütigster und friedliebendster Mann, den Israel kannte, beschrieben!
Pinchas handelt also nicht aus eigener Wut, sondern - um die Wut Haschems zu dämpfen („dass ich nicht auftrieb die Kinder Jisraels in meinem Eifer“).
In anderen Worten zeigte Pinchas, dass ihm der gerechte Weg, den Haschem für sein Volk zeigte, so wichtig ist, dass er die schlechten Vorbilder - und beide Sünder hatten hohen gesellschaftlichen Stellenwert - öffentlich bestraft, um das ganze Volk auf den richtigen Weg zu bringen, und eine Kollektivstrafe abzuwenden.
Er handelte also nicht aus Leidenschaft, sondern L‘Schem Schamajim.
Der große Pinchas und der kleine Schmuel
Pinchas erhält als Belohnung auf seinen Eifer den Bund des Friedens. Dazu schreibt Rav Kook
Wir müssen die Eigenschaft des Eifers verfeinern, damit er, wenn er in den Bereich des Heiligen eintritt, ein reiner Eifer für G-tt ist. Da Eiferertum oft einen leichten Einfluss menschlicher Schwächen enthält, müssen wir durch unsere Fähigkeit zur Selbstprüfung sein Hauptmotiv bestimmen.
Wir müssen sicherstellen, dass es nicht auf persönlicher Eifersucht beruht, die einem bis ins Mark verdirbt, sondern auf einem Eifer für G-tt, der einen Bund des Friedens schafft.
(Orot HaKodesh Band III, S. 244, Betonung nicht im Original)
In diesem Zusammenhang gibt es die folgende Geschichte im Talmud (Brachot 28b):
Rabban Gamlielⓘרַבַּן גַּמְלִיאֵל, der nach der Zerstörung Jerusalems den Sanhedrinⓘסַנְהֵדְרִין in Javneⓘיַבְנֶה leitete, sah die Notwendigkeit, das tägliche Gebet zu ergänzen. Das jüdische Volk brauchte himmlischen Schutz vor Ketzern und Informanten. Doch Rabban Gamliel hatte Schwierigkeiten, einen Gelehrten zu finden, der ein solches Gebet verfassen konnte.
Schließlich erklärte sich Schmuel HaKatanⓘשְׁמוּאֵל הַקְטֵן (wörtlich, „der kleine Schmuel“, gemeint: „Schmuel der Bescheidene“) bereit, das Gebet zu formulieren, das Birkat HaMinim genannt wurde.
Was war das Problem?
Gebete müssen mit reinem Herzen gebetet, und daher auch so geschrieben werden. Selbst wenn die ursprünglichen Motive (des Gebet-Verfassers) rein sind, können die Gedanken von persönlichem Hass durchdrungen werden, wenn man sich angegriffen fühlt.
Daher war nur Schmuel HaKatan geeignet, dieses schwierige Gebet zu verfassen. Denn sein Lebensmotto war:
Sollen wir sanft und friedliebend wie Aharon sein, und wenn Eiferer, dann nur L’Schem Schamajim, wie Pinchas und Schmuel HaKatan.