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Der Wochenabschnitt
פְקוּדֵי
P'kudej

Aktuelle Themen zur Wöchentlichen Parascha, aus Jerusalem der Heiligen Stadt, ת"ו


P‘kudej - wer rastet, der rostet

Der Wochenabschnitt P‘kudej:

Wer rastet, der rostet

”וּבְהֵעָל֤וֹת הֶֽעָנָן֙ מֵעַ֣ל הַמִּשְׁכָּ֔ן יִסְע֖וּ בְּנֵ֣י יִשְׂרָאֵ֑ל בְּכֹ֖ל מַסְעֵיהֶֽם׃“

(שמות מ' ל"ו)

„Und immer, wenn die Wolke sich erhob vom Stiftzelt, brachen die Israeliten auf, solange ihre Wanderungen währten.“

(Sch’mot, 2.Buch Moses, 40:36)

Am Israel steht nie still! Immer ist es in Bewegung, zieht nach Ägypten, wandert aus Ägypten aus und wandert 40 Jahre durch die Wüste. Warum eigentlich?

Wie Rabbiner Jonathan Sacks sz”l in einer Drascha5דְּרָשָׁה
Predigt
zum Wochenabschnitt P‘kudej so richtig auf den Punkt brachte: Ein Jude zu sein, heißt, ständig in Bewegung zu sein. Nur so kann das verstanden werden, was Raschi zu diesem Pasuk6פָּסוּק
Vers
sagt, nämlich dass das Wort “Massa”7מַסָּע
Wanderung
, hier in dritte Person Plural “Massejhem”8מַסְעֵיהֶם
ihre Wanderungen
steht. Das ist selbstverständlich nicht nur physisch zu verstehen, sondern auch geistig, “ruchani”9רוּחָנִי.

Dazu sagt Rabbiner Chaim Michael Biberfeld schlit”a, der Sohn von Rabbiner Pinchas Paul Biberfeld und Enkel von Rabbiner Dr. Chaim Eduard Biberfeld sz”l, Rabbiner und Arzt, auf dessen Initiative das Israelitische Krankenheim in Berlin errichtet wurde, folgendes:

Unsere Vorfahren sind ein perfektes Beispiel für alle nachfolgenden Generationen. Jeder Einzelne erlebt die Wanderungen unserer Vorfahren in der Wüste. Wir haben unsere Höhepunkte, aber auch große Schwierigkeiten und Tiefpunkte. Jemand, der an der Verpflichtung festhält, das Leben mit einem Sinn zu leben – “Kedushah”10קְדוּשָּׁה
Heiligung/Heiligkeit
– und eine Richtung beizubehalten, bleibt bei all den vielen Herausforderungen, denen wir begegnen, konsequent. Diese Person reist durch das Leben, während die Sch’chinah11שְׁכִינָה
„Einwohnung“ oder „Wohnstatt“ G'ttes
auf ihr ruht. G’ttes Anwesenheit wacht über ihm/ihr und ebnet den Weg durch das unwegsame Terrain des Lebens.”

Bitte nicht übertreiben!

”בְּבֹאָ֞ם אֶל־אֹ֣הֶל מוֹעֵ֗ד וּבְקׇרְבָתָ֛ם אֶל־הַמִּזְבֵּ֖חַ יִרְחָ֑צוּ כַּאֲשֶׁ֛ר צִוָּ֥ה יְ-ה-ֹוָ֖-ה אֶת־מֹשֶֽׁה׃“

(שמות מ' ל"ב)

„Denn sie müssen sich waschen, wenn sie in die Stiftshütte gehen oder hinzutreten zum Altar, wie der HERR es Mosche geboten hatte.“

(Sch’mot, 2.Buch Moses, 40:32)

Warum heißt es hier “so wie HaSchem es Mosche geboten hat”? Dies scheint überflüssig, weil ja alles Mosche befohlen wurde. Dazu sagt der Neziv in seinem Werk Ha'amek Dawar12Vertiefe Dich in die Materie (39:42), dass wir die Tendenz haben, uns so in eine Aufgabe, auch wenn es eine Mizwah13מִצְוָה
Gebot
ist, hineinsteigern, dass wir den “Ikar”14עִיקָּר, die Hauptsache, vergessen: So geht bei einer Bar-Mizwah-Feier manchmal vor lauter Festlichkeiten die Alijah LaTorah15עֲלִיָּה לַתּוֹרָה fast unter. Das haben wir in der Paraschah16פָּרָשָׁה der letzten Woche gelesen, als die Handwerker des Mischkans17מִשְׁכַּן
Stiftzelt
sich bei Mosche Rabbenu beschwerten, dass Am Israel zu viel spendete (2. Buch Moses, 36:4)

In anderen Worten:

Der Weg ist nicht das Ziel - nur, wenn man das Ziel ständig vor Augen hat, ist man auf dem richtigen Weg!

 
 

Wald oder Bäume - was ist wichtiger?

Die letzten Wochenabschnitte des Buches Sch’mot beschreiben den Bau und die Ausstattung des Mischkan in akribischen Details - und die Frage ist, warum? Ist es nicht das Wichtigste, das es den Mischkan überhaupt gab? Warum diese Vertiefung ins Detail? Sieht man da nicht vor lauter Bäumen den Wald nicht?

Dazu gibt Rav Kook sz”l (in seinem Artikel Seronim - זֵרְעוֹנִים) eine sehr interessante Antwort:

Es gibt im Judentum Klalim18כְּלָלִים
allgemeine Prinzipien
und Pratim19פְּרָטִים
Details
. Ein Beispiel für ein Prinzip ist das 4. Gebot (“Gedenke des Schabbat-Tages, um ihn zu heiligen”), Beispiele für Pratim sind die Ge- und Verbote zu Schabbat.
In der Galut20פגָּלוּת
jüdischen Diaspora
, waren die Rabbiner besorgt, dass wir als jüdische Minderheit in einer fremden Gesellschaft die Pratim vergessen, und daher war ihr Fokus die Details. Später, mit dem Zionismus und der Gründung des Staates Israels war der Fokus auf Klalim, also große Prinzipien (wie man eine unabhängige jüdische Gemeinschaft leitet und organisiert) - dabei gingen die Pratim verloren.
Diese Unterscheidung ist ähnlich der Unterscheidung zwischen B‘Orot21בְּאוֹרוֹת (religiöser Eifer) und BaKelim22בַּכֵּלִים (religiöse Routine): So ist ein Ba’al Tschuwah23בַּעַל תְּשׁוּבָה zumindest am Anfang seiner Tschuwah - B‘Orot, und ist beispielsweise von KLAL des Kiddusch24קִידּוּשׁ
Segensspruch über einen Becher Wein
begeistert, ohne die Pratim (Masse des Kidduschbechers, in welchem Winkel man ihn hält, auf den Tropfen genau wie viel Wein oder Traubensaft man nach dem Kiddusch trinkt usw.) zu kennen. Umgekehrt ist jemand, der in einem sehr religiösen Zuhause, möglicherweise in einer Stadt, in der es keine nicht-religiösen Juden gibt, aufgewachsen ist, meist BaKelim, kennt also alle Halachot25הֲלָכָה
zwingende Bestimmung; Gesetz.
plural: הֲלָכוֹת
Halachot
des Kiddusch, aber es fällt ihm schwer, sich vom KLAL begeistern zu lassen.

 

Und die Moral von der Geschichte:

Ohne Bäume gibt es keinen Wald, ohne Wald sind die Bäume bedeutungslos. Wir brauchen beides!

 
 

Sch’mot - ein Rückblick

Wie gesagt, ist P‘kudej die letzte Paraschah des 2. Buch Moses. Kurz bevor wir Sefer Sch’mot verlassen, ein kleiner Rückblick:

Am Ende jedes der Bücher Moses sagt man die Worte, die unser Volk heute mehr als lange zuvor hören und leben soll:

חֲזַק חֲזַק וְנִתְחַזַּק

Chasak, chasak v’nitchazek

Wörtliche Übersetzung:

Kraft, Kraft sollen wir schöpfen,

im Sinne:

Sei stark, halte fest und lass uns einander stärken.

 
 

 

שַׁבַּת שָׁלוֹם וּמְבֹרָךְ
Schabbat Schalom Um’worach
Einen Friedvollen und gesegneten Sabbat

Benjamin Rosendahl

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5. Adar II 5784, 15. März 2024,

 

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