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Der Wochenabschnitt
רְאֵה
R’eh

Aktuelle Themen zur Wöchentlichen Parascha, aus Jerusalem der Heiligen Stadt, ת"ו


R’eh - die Welt mit guten Augen sehen

Der Name unseres Wochenabschnittes heißt R’eh - רְאֵה - Sehe!

 

 

Die Welt mit guten Augen sehen

”זֶ֕ה אֲשֶׁ֥ר לֹֽא־תֹאכְל֖וּ מֵהֶ֑ם הַנֶּ֥שֶׁר וְהַפֶּ֖רֶס וְהָֽעׇזְנִיָּֽה׃ וְהָרָאָה֙ וְאֶת־הָ֣אַיָּ֔ה וְהַדַּיָּ֖ה לְמִינָֽהּ׃ וְאֵ֥ת כׇּל־עֹרֵ֖ב לְמִינֽוֹ׃“

(דברים י"ד י"ב-י"ד)

„Dies aber ist, was ihr nicht essen dürft von ihnen: Den Adler und den Peres und die Osniah; und die Raah und die Ajah, und die Dajah nach ihrer Art, und alle Raben nach ihrer Art,“

(D’warim, Deuteronomy, 5.Buch Moses, 14:12-14)

Nach Ansicht von Raschi handelt es sich bei Raah, Ajah und Dajah nicht um drei verschiedene Vögel, sondern um einen Vogel mit drei verschiedenen Namen.

Und die Bedeutung dieser Namen ist wie folgt:

  1.  Ra’ah רָאָה - wörtlich: „er sah“. Nach dem Talmud (Traktat Chulin, 63b) sieht der Vogel sehr gut. Warum ist das negativ?
  2.  Der zweite Name des Vogels, Ajah אַיָּהּ, bedeutet „wo“. Dazu gibt es ein wunderschönes Lied von Shuli Rand mit Refrain איה-איה-אייכה (wo, wo, wo bist du?). Warum ist das negativ?
  3.  Der dritte Name des Vogels ist Dajah דַּיָּה - wie Daj דַּי - heißt genug, sowie im Pessach-Lied Dajenu דַּיֵּנוּ (es wäre „genug für uns“ gewesen). Warum ist das negativ?

Die Antwort - warum alle diese drei Eigenschaften schlechte sind (was den Vogel daher unrein und unkoscher macht, weswegen wir ihn nicht essen dürfen) zeigt im Umkehrschluss drei gute Midot (מִידּוֹת - Charaktereigenschaften):

  1.  Der Vogel hat ein „Adlerauge“ dawka      ⓘדַּוְקָא
    insbesondere
    für Negatives - daher sollten wir die Welt mit guten Augen sehen.
  2.  Der Vogel versteckt sich (daher müssen wir ihn immer suchen und „wo“, also „wo bist du“ fragen), vor allem wenn er etwas Positives beitragen könnte - daher sollten wir gute Taten SUCHEN statt sich vor ihnen zu verstecken.
  3.  Der Vogel meint, ein Minimum an guten Taten ist Daj      ⓘדַּי
    genug
    - daher sollten wir versuchen, Mizwot      ⓘמִצְוָה - Mizwah
    Gebot,
    Plural: מִצְווֹת – Mizwot
    zu VERMEHREN statt sich mit dem Minimum zufrieden zu geben.
 

 

Nicht übertreiben!

”אֵ֣ת כׇּל־הַדָּבָ֗ר אֲשֶׁ֤ר אָנֹכִי֙ מְצַוֶּ֣ה אֶתְכֶ֔ם אֹת֥וֹ תִשְׁמְר֖וּ לַעֲשׂ֑וֹת לֹא־תֹסֵ֣ף עָלָ֔יו וְלֹ֥א תִגְרַ֖ע מִמֶּֽנּוּ׃“

(דברים י"ג א')

„All dasjenige, was ich euch gebiete, sollt ihr beobachten zu tun; tue nichts hinzu und nimm nichts davon.“

(D’warim, Deuteronomy, 5.Buch Moses, 13:1)

Es wird überliefert, dass Rabbi Ammi von Tiberias den Raw Nachman bar Yitzchak sehr dafür kritisierte, dass er ein Makelמַקֵּל (ein Rabbiner, der im Zweifelsfall die Halachahהֲלָכָה nachsichtig auslegt) war statt ein Machmirמַחְמִיר (ein Rabbiner, der im Zweifelsfall die Halachah streng auslegt).

Dabei richtet sich Raw Nachman genau an das, was in unserem Wochenabschnitt steht, nämlich nichts hinzuzufügen und nichts zu reduzieren. Damit erreicht er, dass wir keine Arroganz für unser Judentum entwickeln, und dass trotz der unterschiedlichen Lebensweise die Kluft zwischen Juden und Nichtjuden nicht vergrößert wird.

 

 

HaSchems T‘fillin

”רְאֵ֗ה אָנֹכִ֛י נֹתֵ֥ן לִפְנֵיכֶ֖ם הַיּ֑וֹם בְּרָכָ֖ה וּקְלָלָֽה׃ אֶֽת־הַבְּרָכָ֑ה אֲשֶׁ֣ר תִּשְׁמְע֗וּ אֶל־מִצְוֺת֙ יְהֹוָ֣ה אֱלֹֽהֵיכֶ֔ם אֲשֶׁ֧ר אָנֹכִ֛י מְצַוֶּ֥ה אֶתְכֶ֖ם הַיּֽוֹם׃׃“

(דברים י"א כ"ו-כ"ז)

„Siehe, ich lege euch heute Segen und Fluch vor: Den Segen, so ihr gehorchet den Geboten von HaSchem, eures Gottes, die ich euch heute gebiete.“

(D’warim, Deuteronomy, 5.Buch Moses, 11:26-27)

Eine der größten und wichtigsten Mizwot* ist die von T‘fillin - es ist ein Gebot, das wir jeden Wochentag machen. Der Baal Schem Tow sagt , dass nicht nur wir für HaSchem T‘fillin legen, sondern umgekehrt auch HaSchem für uns!

*   Es ist so wichtig, dass selbst älteren Menschen, die sich kaum auf den Beinen halten können und einen Pfleger brauchen, dafür jeden Morgen sich mit viel Mühe aus dem Haus zur Synagoge schleppen, und sich von ihren Pfleger helfen lassen müssen, die Tefillin anzulegen - wie es Jacky Levi in seiner wunderschönen Kurzgeschichte “Mein Tefillipine” beschreibt.

Der Baal Schem Tow schreibt folgendes:

„Zuerst legen wir die Hand-T‘fillin an, danach die Kopf-T‘fillin. Genauso steht es mit HaSchems T‘fillin: Alle Juden sind HaSchem teuer. Jedoch werden die, die Mizwot aus reinem Glauben, mit tiefem Gefühl und in absoluter Aufrichtigkeit ausführen, von HaSchem ganz besonders geliebt.“

In anderen Worten liebt HaSchem uns alle, aber die Torah-gelehrten der Kopf-T‘fillin ganz besonders, oder kurz gesagt: WIR sind HaSchems T‘fillin!

Rabbi Jitzchak Levi von Berditchew geht noch einen Schritt weiter, und sagt etwas, den man nur zustimmen kann:

„Sollten – chas weChalilahחַס וְחָלִילָה
lit.: Gott bewahre
! – die T‘fillin eines gewöhnlichen Menschen auf den Boden fallen, hebt er sie auf, küsst sie und versucht, dafür T’schuwahתְּשׁוּבָה
Reue
zu machen, dass er die T‘fillin fallen lassen hat. Deine T‘fillin aber, das jüdische Volk, sind gefallen und liegen darnieder in der bitteren Galutגָּלוּת
Exil
. Wann hebst Du sie auf und bringst sie Dir näher und erlöst sie aus diesem Galut?“

 
 

 

שַׁבַּת שָׁלוֹם וּמְבֹרָךְ
Schabbat Schalom Um’worach
Einen Friedvollen und gesegneten Sabbat

Benjamin Rosendahl

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26. Aw 5784, 30 August 2024

 

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