Lech-L‘cha: Lech-L‘cha: Geh mit G‘tt, aber geh!
- Was bedeutet die Doppelung „Lech-L’cha“ (לֶךְ-לְךָ - wörtlich: gehe - für dich)?
- Warum wird explizit erwähnt, dass Abraham Sarah und Lot (seinen Neffen) mit sich nahm?
- Was ist die Bedeutung der Reihenfolge in der das, was Abraham zurückgelassen hat (Land, Heimat, Familie), erwähnt wird?
Erst Gast, dann Gastgeber
Warum steht im Hebräischen „Lech-L’cha“ [לֶךְ-לְךָ] also nicht nur „Lech“ [לֶךְ] „gehe“, sondern „gehe für dich“?
Raschi interpretiert dies als לְטוֹבָתְךָ [L’Towat’cha - zu deinem Guten], לְהֲנָאָתְךָ [L’Hanaat’cha - zu deinem Vergnügen].
Der Bejs Israel (5. Gerer Rebbe) sagt dazu folgendes: HaSchem wusste, dass Abraham in der Zukunft zum Gastgeber erkoren sein wird, dessen Hachnassat Orchimⓘהַכְנָסַת אוֹרְחִים
Gastfreundschaft weltbekannt sein wird. Um ihm auf diese Aufgabe vorzubereiten, musste Abraham zuerst Gast sein - und daher schickte ihn HaSchem zu seinem Guten auf den Weg.
Zum Thema Gastfreundschaft - der israelische Radiomoderator Arijeh Golan ging vor ein paar Jahren an einem Donnerstagabend durch die Meah Schearim [מֵאָה שְׁעָרִים] Nachbarschaft in Jerusalem, um in verschiedenen Orten TschulentⓘYiddish: טשאָלנט - Tschulent
Hebräisch: חַמִּין - Chamin und andere traditionelle jüdische Gerichte zu probieren (Hier ein Video , leider nur auf Hebräisch). Als er einen der Gastgeber fragte, warum dieser es zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte, Menschen in seinem kleinen Restaurant mit Spezialitäten zu verwöhnen, antwortete der Gastgeber: „Wofür ist Abraham bekannt? Dass er ein großer Rabbiner war, ein Gelehrter? Nein! Unser Stammesvater war für eines bekannt - Hachnassat Orchim!“
Gehe - lasse die Vergangenheit hinter dir
Der Midraschⓘמִדְרָשׁ zu diesem Text bemerkt, dass, wenn jemand migriert, die Reihenfolge umgekehrt ist: Zuerst verlässt man seine Familie („Haus deines Vaters“), dann den Geburtsort (Heimatstadt), und erst danach das Land.
Warum ist das bei Abraham Awinu umgekehrt?
Weil es nicht nur um physische Orte geht, sondern um Identität: Abraham wird der Stammvater eines neuen Volkes. Daher lässt er erst die Kultur des Landes zurück [מֵאַרְצְךָ - aus deinem Land], dann die Tradition seiner Heimat [מִמּוֹלַדְתְּךָ - aus deinem Geburtsort], und schließlich die Werte und den Glauben seiner Familie [מִבֵּית אָבִיךָ - aus dem Hause deines Vaters].
In diesem Zusammenhang sagt man oft über Menschen, die Alijah [עֲלִיָּה] machen (nach Israel auswandern), sie haben zwar (ihr Heimatland) verlassen, aber (ihr Heimatland) hat sie nicht verlassen. Beispielsweise waren Jeckim (Einwanderer von Deutschland nach Israel) für ihre deutsche Pünktlichkeit auch in ihrer neuen Heimat bekannt.
Nicht so Abraham - er verlässt nicht nur Ur, Ur verlässt auch ihn!
Gehe - mit einem One-Way-Ticket
Warum wird erwähnt, dass Abraham seine Familie mitnimmt? Ist das nicht selbstverständlich?
Die Antwort ist - jein. Natürlich nehmen wir unsere Familie mit, wenn wir auswandern. Aber: Normalerweise besucht ein Mitglied der Familie die neue Heimat vorher und überprüft, wie dort die Lage ist.
Nicht jedoch Abraham Awinu - sein Vertrauen in HaSchem war so groß, dass er ohne Verzögerung mit Familie und Eigentum umzog - ohne Rückticket.
Wenn man bedenkt, wie alt Abraham war, ist das sogar noch beeindruckender: 75 Jahre war er alt, als er alles, was er kannte, verlas, und in ein unbekanntes Land zog, ohne zurückzuschauen.