Toldot, oder: Verkaufe Erstgeborenenrecht für Linsensuppe
- Warum wird zweimal erwähnt, dass Abraham der Vater von Jizchak war?
- Ist es immer von Vorteil, Erstgeborener zu sein?
- Was hat es mit der Linsensuppe auf sich, für die Esaw sein Erstgeborenenrecht an seinen jüngeren (Zwillings-)Bruder Ja‘akob verkauft?
Abraham = Vater von Jizchak
Warum steht da zweimal, dass Abraham Awinu der Vater von Jizchak war bzw. dass er sowohl sein Sohn war, als auch von ihm gezeugt wurde (also nicht sein Adoptivsohn, sondern sein biologischer)?
Dazu sagt Raschi: Die Zyniker jener Generation sagten, Sarah sei nicht von Abraham, sondern von Awimelech [אֲבִימֶלֶךְ] schwanger geworden. Der Grund: In all den Jahren, die sie mit Abraham zusammen war, war sie nicht schwanger geworden.
Wie schaffte HaSchem, dieses Gerücht zu beenden? Er formte das Gesicht von Isaak so, dass es dem von Abraham ähnelte (d.h. er war ihm, wie man sprichwörtlich sagt, aus dem Gesicht geschnitten). Das nahm den Zynikern den Wind aus den Segeln! Und das ist die Bedeutung des ersten Passuksⓘ Passuk
פָּסוּק
Vers unserer Paraschahⓘ פָּרָשָׁה
Wochenabschnitt : Jizchak ist - sicher! zweifellos! - der Sohn Abrahams.
Die Zweiten werden die Ersten sein?
Es gibt einen Witz, der zur Zeit des Kalten Krieges spielt:
Der amerikanische Präsident Nixon macht einen Wettlauf gegen den russischen Präsidenten Breschnew, wobei Nixon gewinnt.
Am nächsten Tag steht in der Правда [Prawda] (der sowjetischen Zeitung):
„Unser Präsident machte einen Wettlauf gegen die amerikanischen. Unserer hat den noblen zweiten Platz errungen, während der kapitalistische Klassenfeind ganz hinten als Zweitletzter einlief.“
Man kann der Prawda keinen Vorwurf machen - sie hat die Wahrheit (russ. Prawda) erzählt. Die wichtige Frage, die auch unser Wochenabschnitt stellt, ist jedoch: Ist es immer von Vorteil, der Erstgeborene zu sein?
Dazu sagen unsere Weisen folgendes: Der Erstgeborene hat als Vorbilder nur seine Eltern, und auch das nicht immer (so waren Abrahams Eltern Götzendiener). Jedoch hat der ZWEIT-Geborene den Vorteil, dass er aus den Erfahrungen - und auch aus den Fehlern - seines großen Bruders (oder großer Schwester) lernen kann. So ist es vielleicht nicht überraschend, dass zwei unserer drei Awot (אָבוֹת - Stammväter) Zweitgeborene sind - Jizchak (sein großer Bruder war Jischmael) und Jakob (sein großer Bruder war Esaw).
Im Fall von Jakob heisst sein Name auch “der, der folgte” (aus dem gleichen Wortstamm ist das Wort עָקֵב “‘Akew” - Verse). Später wird er zu Israel werden, nachdem das Volk Israel benannt wird.
Tausche Erbrecht gegen Linsensuppe
Wie kann man für eine Linsensuppe sein Erbrecht verkaufen? Im heutigen Hebräisch wird „für eine Linsensuppe“ [BaAwur N’sid `Adaschim - בַּעֲבוּר נְזִיד עֲדָשִׁים] im Sinne eines schlechten Tauschgeschäfts benutzt, so wie im Märchen “Hans im Glück" der Gebrüder Grimm (er tauscht Gold gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans, und die Gans gibt er für einen Schleifstein mitsamt einem einfachen Feldstein her). Auch sagt man "für eine Linsensuppe”, wenn jemand (meist ein Politiker) seine Werte verkauft, um eine unbedeutende politische Position zu erhalten.
Die erste Frage, die wir uns hier stellen müssen, ist, ob die Linsensuppe so minderwertig ist? Die Antwort, die unsere Gelehrten geben, ist ein klares NEIN: So wird sie oft als “Fleischmahlzeit der Armen” gesehen, zusätzlich ist Linsensuppe traditionell Trauermahlzeit. Und schließlich gibt es einen Minhagⓘמִנְהָג
Brauch , am Schabbat von “Toldot” Linsensuppe zu essen.
Die wichtigere Frage ist aber: warum war Esaw bereit, sein Erstgeborenenrecht überhaupt wegzugeben? Der Pschat [פְּשָׁט] (die einfache Erklärung, die sich direkt aus dem Text ergibt), ist, dass er so hungrig war, dass er alles weggegeben hätte, um etwas zu essen. Raschi sagt etwas anderes: Esaw wäre als Erstgeborener zu einem Cohen geworden (jüdischer Priester), und hatte keinerlei Interesse an dieser spirituellen Position, da er zu gaschmi [גַּשְׁמִי], zu materialistisch war.
Ibn Ezra hat eine dritte Erklärung zu dieser Frage, die als kontrovers gilt: Er vergleicht Jizchaks Blindheit mit Armut: Die Blindheit ermöglichte es Jakob, den Segen zu empfangen, der für Esaw bestimmt war. Aber die Armut brachte Esaw, der - wie erwähnt, sehr materialistisch war - dazu zu denken, dass das Erstgeburtsrecht wertlos sei. Daher verzichtete er freiwillig auf dieses Recht, und gibt es Jakob.
Was Esaw nicht versteht, wird in dem wunderschönen iranischen Film “Die Farben des Paradieses” gezeigt, wo es um einen blinden, aber sehr talentierten Jungen geht, dessen Vater sich um ihn schämt, und der ihn wie eine heiße Kartoffel nur aus den Händen haben will. Was der Film zeigt, ist, dass die wahren Blinden die sind, die das Schöne, das Ma’ase Bereschit [מַעֲשֵׂה בְּרֵאשִׁית - wörtlich „Werk der Schöpfung“], was sie vor ihren Augen sehen, nicht erkennen.
Oder in den Worten des - auch blinden - Handwerkers, zu dem der Sohn in die Lehre geht: „Der Ewige hat die Blinden geschaffen, weil nur sie die Farben des Paradieses sehen können.“