Frag den Rabbi:
Halacha & Klimaschutz

Fragen an den Rabbi: Halacha & Klimaschutz

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Gibt es einen Konflikt zwischen Judentum und dem Konzept von Nachhaltigkeit und Umweltschutz?

Die Begegnung zwischen der religiösen Welt des Judentums und der Frage der Nachhaltigkeit bzw. des Klimaschutzes kann in zwei verschiedene und gegensätzliche Richtungen führen:

  1. Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Frage der Nachhaltigkeit aufgrund des religiösen Bewusstseins abgelehnt wird, dass es weitaus wichtigere Fragen als Nachhaltigkeit gibt. Auch heisst es im 1. Buch Mosesפרו ורבו ומלאו את הארת (Seid fruchtbar und vermehret Euch und füllet die Erde, oft interpretiert als „macht Euch die Erde untertan“)
  2. Eine zweite Möglichkeit findet natürlich heute statt und zeigt, dass die Begegnung von Judentum und Klimaschutz beides befähigt. Nachhaltigkeit steht nicht im Widerspruch zu religiösen Fragen, sondern im Gegenteil: Gerade der Glaube, dass der Herr der Welt der Schöpfer der Welt ist, bestärkt das Engagement für die Bewahrung dieser kostbaren und besonderen Welt.

Widerspricht Nachhaltigkeit den Fragen von Ethik und Moral?

Talmud, Nachhaltigkeit und Umweltschutz

Halacha, Nachhaltigkeit und Umweltschutz

Im Gegenteil - ein wesentlicher Bestandteil der moralischen Welt ist es, nicht mehr als nötig zu konsumieren und kein נבל ברשות התורה (Bösewicht im Dienste der Tora) zu sein. Eine der moralischen Grundlagen besteht darin, nicht nur sich selbst im Fokus zu sehen, sondern auch die zukünftigen Generationen zu berücksichtigen und die Welt um ihrer selbst willen zu retten. Dies spiegelt sich beispielsweise in der Bewunderung des Johannisbrotbaum-Pflanzers in der berühmten Geschichte von Honi HaMaagal wider, und auch die Nachhaltigkeit wird von diesem Element vorangetrieben.

Nicht nur das, sondern bestimmte Gebote können gerade durch den Gedanken der Nachhaltigkeit und der Verpflichtung dazu tiefer verstanden werden: das Gebot, am Schabbat zu ruhen und keine Arbeit zu verrichten, das eines Tages die Aktivität in der Welt einstellt und zurückgibt zu seiner ursprünglichen Quelle als Teil des Glaubens an den Schöpfer; Die Mizwa des Jahres der Schmita, deren Ziel auch die Rückgewinnung der Natur ist, um ihre endlose Ausbeutung zu verhindern, über die religiösen Aspekte dieser besonderen Mizwa hinaus usw.


Fragen und Antworten

Thema: Halacha & Klimaschutz

    Rubrik: Umweltschutz

Meine Mutter hatte ein spezielles Besteck und Geschirr für Schabbat. Es war schöner, glanzvoller – wirklich "Schabbesdig".

Ich habe versucht, ihrer Tradition zu folgen und ein besonders schönes Schabbat- Geschirr zu benutzen.

Wir haben unserer Tochter auch eine äußerst hübsche Schabbat Ausstattung gekauft.

Am Schabbat bevorzugen sie und ihr Mann jedoch Einweggeschirr aus Plastik. Es ist nicht nur hässlich und durchaus nicht feierlich, sondern auch umweltschädlich.

Mit welchen Argumenten kann ich sie und ihren Kolel-besuchenden Ehemann überzeugen?


Sehr geehrte Frau Günsberger,

Sie fragen, wie Sie Ihre Tochter und Ihren Mann dazu überzeugen können, von Plastikgeschirr auf das mehr 'Schabbosdike', elegante Porzellangeschirr umzustellen.

Es ist in der Tat so, dass schönes Porzellangeschirr den Schabbos-Tisch sehr aufwertet.
Aber leider muss man auch berücksichtigen, dass viele fromme jüdische Familien G-tt sei Dank mit vielen Kindern gesegnet sind und es viele Aufgaben im Haus gibt und Geschirrspülen nicht zu den Favoriten zählt. Darüber hinaus gibt es oftmals keinen Helfer, und wenn ist auch der schon mit anderen Aufgaben ausgelastet. Dazu kommt, dass Kinder gerne Geschirr zerbrechen. Da bietet es sich verständlicherweise sehr an, Einweggeschirr zu verwenden. Der Nachteil ist, dass das Plastikgeschirr nicht abbaubar ist und somit die Umwelt belastet, wie Sie erwähnen. In Anbetracht des Aufwandes von echtem Geschirr benutzen viele Familien daher das praktischere Einweggeschirr.

Ich kann ihnen nicht sagen, dass dies laut Halacha verboten ist. Chasal, unsere Weisen, sagen uns zerstöre nicht die Welt. Doch dies gilt nur für Dinge, die bereits festgelegt wurden. Wir haben nicht das Recht, neue Sachen hinzuzufügen.

Trotz all dem kann ich ihren Wunsch, dass das schöne Porzellangeschirr bei Ihren Enkelkindern benutzt wird, verstehen. Wenn es eine Möglichkeit gibt, Ihrer Tochter von der Schönheit des Porzellangeschirrs und damit des gesamten Schabbos-Tisches und -Erlebnisses aus rationaler Sicht und ohne Druck zu überzeugen, so wäre dies die beste Vorgehensweise.

Umgangssprachlich formuliert ist es ist 'mechaje', echtes Geschirr zu benutzen und man fühlt sich wie ein 'Mensch'; Alternativ könnten Sie anbieten für einige Wochen eine Helferin zu spendieren, die beim abwaschen hilft. Oftmals stellen sich dafür junge Mädchen zur Verfügung, die nicht viel Geld verlangen. Haben Ihre Tochter und Ihr Mann dann den Vorteil von echtem Geschirr erkannt, werden sie es vielleicht dauerhaft bei sich einführen. Es ist aber keine Angelegenheit von 'Alles oder Nichts', und wenn es für Ihre Tochter leichter und praktikabel ist, so sollte sie dann das Plastikgeschirr verwenden können. Es ist ein schwieriges Unternehmen und sollte es nicht funktionieren, seien Sie nicht enttäuscht, denn es ist heutzutage nicht mehr praktikabel nur echtes Geschirr zu verwenden.

Es gibt einen Standpunkt aus Sicht der heiligen Torah: In Paraschat Behar im Buche Wajikra (Leviticus) teilt die Torah den Leviten das Recht auf das Eigentum von Städten im Lande Israel zu, und benutzt den Ausdruck 'ewiges Erbe'. Unsere Weisen, über 3000 Jahre zurück, lernen daraus ein interessantes Gesetz: Wenn eine Fläche als öffentliche Fläche bestimmt wurde, kann sie nicht anderweitig designiert werden – und dies gilt für alle Generationen. Mit anderen Worten, jede Generation hat das Recht darauf.

So ist es auch mit Umweltschutz. Nutzen, den wir von unseren Vorvätern erhalten haben, müssen wir präservieren. Alles in dieser Welt funktioniert auf perfekte Weise, und wir müssen diese Welt erhalten, so wie wir sie bekommen haben.

Wie Sie sehen – es ist eine Debate mit vielem Für und Wider. Doch eines ist sicher: Die Torah zwingt einen nicht, sich das Leben zu erschweren:
Die Wege der Torah sind angenehm und ihre Pfade Frieden(Mischley [Sprüche]: 3 17)

"דרכיה דרכי נועם וכל נתיבותיה שלום" (משלי ג, יז).

Alles Gute,

Rabbiner Daniel Schiffer

 

Die Fragen können mit vollen Namen oder anonym gestellt werden. Sie werden auf der Webseite veröffentlicht, außer der Fragesteller ist dagegen. Wir halten uns das Recht vor, Fragen, die unangemessen sind (nichts mit Judentum zu tun haben, Missionsversuche, Fragen zu Themen, die religiöse Gefühle verletzen usw.) nicht zu beantworten und zu veröffentlichen.

Zu Rabbiner Daniel Schiffer:

Rabbiner Daniel Schiffer lebt mit seiner Frau und Kindern in Jerusalem. Er hat dort in mehreren Jeschiwot gelernt und hat seine Smicha in Kollel Tzemach Tzedek in der Altstadt erhalten. Hier ein Link zum Kollel.

Rabbiner Daniel Schiffer ist der Autor der wöchentlichen Torah-Rundschreiben "Parascha LeMaisse" (in Hebräisch) und "Der Wochenabschnitt" (in Deutsch), die auch auf dieser Website erscheinen.

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