Gastbeitrag: Jüdischkeit zum Verkauf?
Jossi Brandes
Ein Gastbeitrag von Jossi Brandes
Zum Autor: Jossi Brandes ist ein in Petach Tikwa lebender Modzhitzer Chassid. Er ist in Israel geboren, hat aber Wurzeln in Belgien, wo sein Vater geboren ist. Der Großvater von Jossi Brandes war Rabbiner Jakob Brandes a“h, ein wichtiger Teil der Kehillla in Antwerpen.
Jossi Brandes verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Judaica, durch das von ihm gegründete und geleitete Memories Judaica Auktionshaus.
Die nächste Auktion, bei der man weltweit teilnehmen kann, ist sGw am 15. September. Hier ist der Katalog.
Hier schreibt er über halachische Aspekte beim Verkauf von Judaica.
Diebeswahre? Über Mäuselocher und fragwürdige Judaica-Händler
Frage:
Kann ein Antiquitätenhändler, der Judaica-Artikel von fragwürdigen Personen gekauft hat, sie handeln, und wie sieht es aus, wenn er erst nachträglich (also nach dem Verkauf) feststellt, dass der Judaica gestohlen war?
Antwort:
Schon der Kauf von einer dubiosen Person, die die Judaica-Gegenstände mit ziemlicher Sicherheit nicht geerbt hat ... ist problematisch aus der Sicht der Halacha, da "es verboten ist, Kriminellen beizustehen", also die Tat selbst von ihm zu kaufen ist gemäß dem berühmten talmudischen Prinzip (Gittin, 45)
verboten. Die Logik geht so: wenn die Maus kein Loch hätte, um ihren Diebstahl zu begraben, hätte sie nicht gestohlen. Und daher gilt das Mäuseloch als Dieb.
Übertragen auf unseren Fall ist der Judaica-Händler das „Mäuseloch“ – in dem Moment, in dem er von der „Maus“ Diebeswahre kauft.
In einigen Fällen ist es sogar Gesel [Raub - גֵּזֶל], das Objekt zu kaufen (nicht nur zu verkaufen), z.B. wenn die wahren Eigentümer die Suche auf ihre Eigentümer noch nicht aufgegeben haben.
All dies, wenn die Person, wie erwähnt, vor dem Kauf nachfragt.
Der häufigere Fall ist, wenn der Judaica-Gegenstand bereits versteigert oder sogar bereits verkauft wurde und die Eigentümer dann feststellen, dass es sich um etwas handelt, das in der Vergangenheit gestohlen wurde, in einem solchen Fall gibt es eine Sonderregelung:
Basierend auf Baba Kama (116) sowie Schulchan Aruch Choshen Mishpat (356) gilt die Regel, dass selbst wenn die bestohlene Person beweist, dass dieser Gegenstand sein Eigentum war und von ihm gestohlen wurde, wenn er es zurückerhalten will, muss er dem Käufer auf jeden Fall den Betrag zahlen, den dieser für das Objekt bezahlt hat, damit der unwissende Käufer nicht Verluste für einen irrtümlichen Handel hat.
Jossi Brandes mit dem Admor von Modzitz während Besuch
Wir sagten "irrtümlich", weil diese Regelung einen wichtigen Vorbehalt enthält, die "Marktordnung" wurde nicht angegeben, wenn der Käufer das Objekt von einem "als Dieb bekannten" gekauft hat, in einem solchen Fall muss er den Gesel an den Eigentümer ohne Bezahlung zurückgeben der Besitzer, denn "der seine Seele verloren hat", das heißt, nein Er musste einen Gegenstand von einer Person kaufen, die bekanntermaßen ein Dieb ist, daher besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Gegenstand auch gestohlen wird.
Bei der Frage von erst nachträglich sich als Diebesgut herausgestellten Judaica gibt es eine Machloket (Meinungsverschiedenheit) zwischen den Rischonim (Raschi vs. Baal HaTurim):
Kann der Käufer dieser Diebesware verlangen, dass er das Geld für den Kauf zurückbezahlt bekommt, bevor er die Diebesware den wahrhaften Besitzer zurückgibt? Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, haben Chazal dafür eine separate Regelung erstellt.
Zusammenfassend: lässt sich sagen, dass es einen Issur [ein striktes Verbot - אִסּוּר] gibt, Ware zu kaufen, die als Diebesware bekannt ist, und insbesonders gilt das für Judaica. Ware, die sich erst nachträglich als Diebesware herausstellt, muss dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden, jedoch muss der unwissende Käufer dieser Diebesware vorher sein Geld zurückerstattet bekommen.
Jüdischkeit ohne Jüdischkeit? Über nicht-religiöse Käufer von Judaica
Frage:
Darf ein Judaica-Händler Judaica an nicht-religiöse Juden verkaufen?
Antwort:
Diese Frage ist komplex und erfordert viel Fingerspitzengefühl.
Vorher sollte aber erwähnt werden, dass es sich um eine theoretische Frage handelt, die in der Praxis fast nie auftaucht. Der Grund hierfür ist, dass der emotionale Wert von Judaica bedeutend größer bei Schomrei Tora u-Mitzwot ist – und dass ein Nicht-Religiöser, der zwar den materiellen und evtl. historischen Wert des Sefers oder Objekts kennt, aber keinen persönlichen und emotionellen Bezug dazu hat (im Gegensatz z.B. zu einem Chassid, der bei einer Auktion den Kidduschbecher eines Rebbes seiner Chassidut sieht), fast immer vom Schomer Tora u-Mitzwot überboten wird, oft um das zehn- oder hundertfache.
Eine Ausnahme dieser Faustregel sind akademische Institute, Archive und vor allem Büchereien, wie z.B. die National Library of Israel. Diese sind bereit, hohe Summen für Judaica zu bezahlen, und gewinnen auch öfter Auktionen. Jedoch ist das halachisch kein Problem, da sie dieser Judaica sehr viel Kawod [Respekt - כָּבוֹד] entgegenbringen und zudem ist es ihre Aufgabe, diese Judaica der Öffentlichkeit zugängig zu machen, was ein Sikkui beRabim ist.
(Ich füge hinzu, dass es kein halachisches Problem gibt, rituelle Objekte wie antike Channukioth an nicht-religiöse Juden zu verkaufen, da es keinen Chiuw [religiöse Verpflichtung - חִיוּב] gibt, die an dieses Objekt per se gebunden ist – eine Channukiah kann sehr billig und ohne „Jichus“ sein – für die Mitzwah des Kerzenzündens ist der „Jichus“ der Channukiah irrelevant)
Judaica - für Mitzwah oder für den Bücherschrank?
Grundsätzlich kaufen die meisten Menschen Judaica für ihre Sammlung(en).
Jedoch gibt es auch Judaica, die gekauft wird, um sie bei rituellen Zwecken zu benutzen.
Dies ist vor allem im Chassidismus verbreitet.
So gibt es Admorim [Spiritueller Leiter (Rabbis) - אַדְמוֹרי"ם], die bestimmte Tefillot [Gebete - תְּפִלּוֹת] nur aus Erstausgaben ihrer Chassidut lesen. Der Zanser Rebbe beispielsweise zitiert oft bei seiner traditionellen Drascha vor dem Schofarblasen an Rosch HaSchanah den „Bnei Issasschar“ – und liest dann von der Erstausgabe. Auch bei anderen Chassiduyot ist dieser Minhag [Brauch - מִנְהָג]verbreitet, z.B. bei Slavita und Zhitomar – hier sagt man der Presse der Schapiro-Brüder eine besondere Segula [Wunderwirkung, Tugend - סְגוּלָה] nach. (Um den Sechut [das Privileg - זְכוּת] zu haben, Tehillim [Psalme - תְּהִלִּים] von einer Erstausgabe von „Tehillim Slavita“ zu lesen, sind Chassidim bereit, bis zu 100.000 Dollar zu zahlen)
Die Ma’aleh Beit Horin Haggadah
(Amsterdam, 1810)
Kleidungsstücke von Zaddikim sind beliebt bei Smachot und Chagim:
So kann man bei chassidischen Hochzeiten sehen, wie der Chatan [Bräutigam - חָתָן] eine Kippa/einen Kittel/Gertel oder ein anderes Kleidungsstück eines Zaddik vorheriger Generation trägt, damit es ihm für die Hochzeit und die Ehe eine Segulah ist.
Auch gibt es Rebbes, die zu verschiedenen Moadim [Feier/Festtage - מוֹעֲדִים] Kleidungsstücke von Zaddikim [Gerechte Personen - צַדִּיקִים] vorheriger Generation tragen – z.B. der AdmoR von Wischnitz, der an Hoschana Raba die Kippe und den Kittel des Ahawat Schalom bzw. des Zemech Zadik von Kasow-Wischnitz trägt.
Das gilt natürlich auch für Sforim [Bücher - סְפָרִים]: so kenne ich Sammler, die an Rosch HaSchanah aus mittelalterlichen Machsorim [Gebetbücher - מַחְזוֹרִים] dawenen oder an Pessach am Seder nur aus der Ma’aleh Beit Horin Haggadah (Amsterdam, 1810) lesen, von der ich eine besonders schöne Version bei meiner nächsten Auktion anbiete.
Schlußwort: Bracha an die Leser
Mögen wir im Monat Elul gesegnet sein, reich an spirituellen Schätzen zu sein, sowie in der Lage zu sein, das nächste Jahr mit der richtigen Vorbereitung von einer echten Annäherung an den Schöpfer der Welt zu betreten, damit wir in der Lage sein werden, unsere Wünsche vor seinen aufzuheben will und dass der Ewige nicht davon aufgehalten wird, den Scheor Scheba'Issa [das Beste des Besten, Crème de la Crème - שְׂאוֹר שֶׁבָּעִסָּה ] zu machen.
Und dass wir und unsere Kinder das Privileg haben werden, in Gesundheit und materiellem Überfluss gerade Wege zu gehen, damit wir in den wahren Schatz investieren können, der der Ruach [spirituell - רוּחַ] ist, und dem näher kommen, der die Welt erschuff und leitet.
Frühe und Erstausgabe wichtiger Werke des Judentums, Association-Copies (die wichtigen Persönlichkeiten und Rabbiner gehört haben), Slavita, Zhitomer, Rabbiner-Briefe u.v.m
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