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Der Wochenabschnitt
תּוֹלְדֹת
Toldot

Aktuelle Themen zur Wöchentlichen Parascha, aus Jerusalem der Heiligen Stadt, ת"ו


Toldot - Erinnerungen und der Geruch von Betrug

Unsere Paraschah פָּרָשָׁה
Wochenabschnitt
heißt „Toldot“ [תּוֹלְדֹת], was oft als „Geschichte“ übersetzt wird, hier aber dawkaדַּוְקָא
genau, absichtlich, gerade
„Nachkommen“ heißt. Wie wir in der Vergangenheit gelernt haben, ist eines der Hauptthemen Betrug, vor allem das Geburtsrecht Esaws [עֵשָׂו - Esau], das Jakob stiehlt.

 

Hinweis: immer der Nase nach…

 

 

Jizchak und Riwkkah - und ihre Kindheitserinnerung

”וַיְהִ֤י עֵשָׂו֙ בֶּן־אַרְבָּעִ֣ים שָׁנָ֔ה וַיִּקַּ֤ח אִשָּׁה֙ אֶת־יְהוּדִ֔ית בַּת־בְּאֵרִ֖י הַֽחִתִּ֑י וְאֶת־בָּ֣שְׂמַ֔ת בַּת־אֵילֹ֖ן הַֽחִתִּֽי׃ וַתִּהְיֶ֖יןָ מֹ֣רַת ר֑וּחַ לְיִצְחָ֖ק וּלְרִבְקָֽה׃“

(בראשית כ"ו ל"ד – ל"ה)

„Als Esaw vierzig Jahre alt war, nahm er eine Frau, die Jehudit, Tochter Beeris des Chittiters, auch Basemath, Tochter Elons des Chittiters. Und sie waren ein Gram für Jizchak und Riwkkah.“

(B’reschit, Genesis, 1. Buch Moses 26: 34 - 35)
 

Der Betrug Jakobs (er erstahl sich das Erstgeborenenrecht, indem er vor seinen fast komplett blinden Vater Jizchak vorgab, sein Bruder Esaw zu sein) ist weit bekannt und wird oft besprochen, auch bei uns. In derselben Paraschah findet aber auch ein weiterer Betrug statt, dem weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird: Esaw wendet sich gegen die Werte seiner Eltern, gegen den von seinem Großvater gegründeten und von seinem Vater gelebten Glauben - und heiratet zwei Götzendienerinnen aus dem Stamme der Hethiter.

Dies betrübte Jizchak und Riwkkah („Und sie waren ein Gram für Jizchak und Riwkkah“). Der Midrasch [מִדְרָשׁ] fragt, warum Jizchak hier zuerst erwähnt wird? Die Antwort von Chasal חז״ל
Unsere Weisen z”l
(Die Weisen der Mischnah- und Talmud-Ära)
ist: Riwkkah war selbst in einem Haus von Götzendienern aufgewachsen, und daher weniger bestürzt. Jizchak hingegen war in der heiligen Familie Awrahams und Sarahs aufgewachsen und daher viel mehr schockiert, weswegen er zuerst erwähnt wird.

In anderen Worten: Es liegt in der Natur des Menschen, dass er, wenn er etwas oft genug sieht, sich daran gewöhnt und eine gewisse Toleranz entwickelt.

So wird erzählt, dass ein Gadol [גָּדוֹל – ein großer Rabbiner/Gelehrter] in den 1920er Jahren aus Europa nach Amerika kam. Als er zum ersten Mal in seinem Leben einen Juden bei der 'Awejrahעֲבֵירָה
Sünde,
wörtlich: Übertretung
plural: 'Awejrot - עֲבֵירוֹת
von Chillul Schabbat [חילוּל שַבָּת - Schändung des Schabbats] sah, fiel er in Ohnmacht. Wir hingegen haben uns leider an die Schändung des Schabbats gewöhnt und nehmen sie hin.

Die Lehre dieses Midrasch ist, dass uns Dinge, denen wir ausgesetzt sind, nach einer Weile nicht mehr so stark berühren. Es ist kein Wunder, dass beispielsweise in Amerika eine gewisse Toleranz gegenüber Gewalt herrscht, weil sie so allgegenwärtig ist. Und auch der Judenhass wird in Europa immer mehr „gesellschaftsfähig“, weil er so häufig passiert. Dagegen anzukämpfen ist dann viel schwieriger.

 
 

 

Der Geruch des Betrugs

”וַיִּגַּשׁ֙ וַיִּשַּׁק־ל֔וֹ וַיָּ֛רַח אֶת־רֵ֥יחַ בְּגָדָ֖יו וַֽיְבָרְﬞכֵ֑הוּ וַיֹּ֗אמֶר רְאֵה֙ רֵ֣יחַ בְּנִ֔י כְּרֵ֣יחַ שָׂדֶ֔ה אֲשֶׁ֥ר בֵּרְﬞכ֖וֹ יְהֹוָֽה׃“

(בראשית כ"ז כ"ז)

„Und er trat näher und küsste ihn; da roch er den Geruch seiner Kleider und segnete ihn und sprach: Siehe, der Geruch meines Sohnes, wie der Geruch des Feldes, das HaSchem gesegnet!“

(B’reschit, Genesis, 1. Buch Moses 27: 27)
 

Was hier als „Duft seiner Kleider“ übersetzt wird, kann auch als „Duft seiner Verräter“ übersetzt werden, denn der Wortstamm B-G-D - ב-ג-ד [בֶּגֶד - Kleidung. בָּגַד – Verraten] kann beide Bedeutungen haben. Der Midrasch geht auf die zweite Bedeutung ein („Verräter“). Jizchak spürte, dass es unter den zukünftigen Generationen des Volkes Israel Verräter am Glauben geben wird, und dennoch empfing er von ihnen innere Zufriedenheit. Obwohl dieses paradox erscheint, nennt der Midrasch das Beispiel einer solchen Person: Josef Meschissah [יוסף משיסה].

Josef Meschissah war ein ruchloser Jude. Als die Römer in Jerusalem einmarschierten und den Beit HaMikdasch [בֵּית הַמִּקְדָּש - Tempel] betreten wollten, fürchteten sie sich. Sie baten einen jüdischen Freiwilligen, als Erster hineinzugehen, um zu beweisen, dass ihnen kein Leid geschehen würde. Josef Meschissah meldete sich freiwillig. Sie sagten zu ihm: „Geh du zuerst hinein und nimm, was du willst.“ Josef Meschissah ging hinein und kam mit der goldenen Menorah [מְנוֹרָה - Leuchter] wieder heraus. Als sie sahen, was er mitgenommen hatte, sagten sie zu ihm: „Es ziemt sich nicht für einen einfachen Mann, ein solches Gefäß zu benutzen. Das ist unanständig. Ein so prächtiges Artefakt ist einem König würdig, nicht einem einfachen Menschen.“
Die Römer forderten ihn auf, umzukehren und sich etwas anderes auszusuchen. Doch Josef Meschissah weigerte sich. Er sagte: „Ich kann nicht zurückgehen.“ Sie boten ihm die Steuereinnahmen von drei Jahren an, wenn er zurück ginge, aber er lehnte weiterhin ab. Er sagte: „Reicht es nicht, dass ich meinen G-tt einmal erzürnt habe? Wollt ihr, dass ich ihn ein zweites Mal erzürne?“ Die Römer versklavten ihn als Strafe für seinen Ungehorsam.

Was geschah mit Josef Meschissah?

Er hatte sein Volk im Stich gelassen. Er war ein Verräter.

Er hatte eine Art Erleuchtung. Ihm wurde klar, dass er zu weit gegangen war, dass er zu tief gesunken war. Als ihm sogar ein Nichtjude sagte: „Du hast etwas genommen, das dir nicht zusteht“, erkannte er, dass der Nichtjude Recht hatte. Er begriff, dass er zu weit gegangen und die Grenze überschritten hatte.

Oft sind es „Josef Meschissah“-Momente, die einem zur T’schuwah תְּשׁוּבָה
Rückkehr (ein Korrekturprozess)
bringen:

So zog ein religiöser Bekannter von mir nach vielen Jahren in Jerusalem nach Deutschland, und gab es auf, Mizwotמִצְוָוה
Gebot,
plural: מִצְווֹת
Mizwot
zu halten. So wie Riwkkah hatte sich die jüdische Gemeinde schon an die ‘Awejrot vieler ihrer Mitglieder gewöhnt und tolerierte das. Als er aber sah, wie wichtig es seinen türkischen Nachbarn war, Hallal (die muslimischen Speisegesetze) zu halten, und wie dawka sie es verachteten, dass er als Jude seine Speisegesetze nicht hielt, und dass er keinen Respekt vor den Werten seiner Vorväter hatte - da machte er T’schuwah!

 
 

 

שַׁבַּת שָׁלוֹם וּמְבֹרָךְ
Schabbat Schalom uM’worach
Ein friedlicher und gesegneter Schabbat

Benjamin Rosendahl

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1. Kisslew 5786,   21. November 2025

 

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