Noach: Ein Zaddik mit beschränkter Haftung
Noach wird als Zaddikⓘצַדִּיק
Gerechter bezeichnet, aber mit Vorbehalt.
- Warum wurde sein Status eingeschränkt, obwohl er eigentlich nur Gutes tat?
- Wieso führte sein Weingut, das erste der Geschichte, gleich dazu, dass er „über den Durst“ trank?
Ein Gerechter - aber nur seiner Generation
”אֵ֚לֶּה תּוֹלְדֹ֣ת נֹ֔חַ נֹ֗חַ אִ֥ישׁ צַדִּ֛יק תָּמִ֥ים הָיָ֖ה בְּדֹֽרֹתָ֑יו אֶת־הָֽאֱלֹהִ֖ים הִֽתְהַלֶּךְ־נֹֽחַ׃“
(בראשית ו' ט')
„Dieses ist die Geschichte Noachs. Noach war ein gerechter, untadeliger Mann in seinen Zeiten; mit Gott ging Noach.“
(B’reschit, Genesis, 1. Buch Moses 6:9)
Warum wird Noach zwar als Zaddik bezeichnet, jedoch nur “in seinen Zeiten”? Darüber schreiben unsere Rabbiner seit vielen Jahrhunderten, und vergleichen Noach u.a. mit Awraham Awinu und mit Mosche Rabbenu. Der Kotzker Rebbe hat die Kritik mit einem Vergleich auf den Punkt gebracht:
Wenn es kalt wird, kann ein Gerechter zweierlei tun - entweder er zieht sich einen Pelzmantel an, und kann dann seine guten Taten machen, ohne dass ihm kalt wird, oder er macht ein Feuer. Noach gehört zu der ersten Sorte - diese Kategorie nennt der Kotzker „Zaddik in Pelz“ (Zaddik im Pelzmantel). Wo liegt hier das Problem? NUR dem Zaddik wird warm, nicht aber seinen Mitmenschen (im Gegensatz zu der zweiten Kategorie, wo das Feuer den anderen auch hilft, warm zu werden).
Und das ist die Kritik an Noach - er rettete zwar sich, seine Familie, und die Tierwelt (vor der Sintflut, indem er die „Arche Noah“ⓘתֵּבַת נֹחַ
Tejwat Noach baute) - versuchte aber nicht, seine Mitmenschen zu überreden, T‘schuwahⓘתְּשׁוּבָה
Reue, wörtlich: Rückkehr zu machen.
Ein Gerechter - aber nur seiner Generation (V 2.0)
”וַיָּ֥חֶל נֹ֖חַ אִ֣ישׁ הָֽאֲדָמָ֑ה וַיִּטַּ֖ע כָּֽרֶם׃ וַיֵּ֥שְׁתְּ מִן־הַיַּ֖יִן וַיִּשְׁכָּ֑ר וַיִּתְגַּ֖ל בְּת֥וֹךְ אׇהֳלֹֽה׃“
(בראשית ט' כ'-כ"א)
„Und Noach, ein Mann des Erdbodens, fing an und pflanzte einen Weinberg. Und trank von dem Wein und wurde berauscht und entblößte sich in seinem Zelt.“
(B’reschit, Genesis, 1. Buch Moses 9:20-21)
Wein hat im Judentum eine ganz besondere Bedeutung, und wird meist als etwas sehr Positives gesehen (siehe dazu hier) - an Purim ist es sogar eine Mizwahⓘמִצְוָה
Gebot, Pflicht, betrunken zu sein.
Nicht jedoch hier: Noach pflanzt einen Weinberg, nachdem er nach der Sintflut Land sieht - und berauscht sich gleich, so sehr, dass er sich entblößt, einen seiner Söhne verflucht, und ihm wünscht, ein Sklave zu sein, so wie seine Nachfolgen.
Nicht jedoch hier: Noach pflanzt einen Weinberg, nachdem er nach der Sintflut Land sieht - und berauscht sich gleich, so sehr, dass er sich entblößt, einen seiner Söhne verflucht, und ihm wünscht, ein Sklave zu sein, so wie seine Nachfolgen.
Eine andere Interpretation, die der Midrasch Tanchuma [מִדְרָשׁ תַּנְחוּמָא] beschreibt, ist, dass er im betrunkenen Zustand so wie die Tiere wurde, die er gerettet hatte (denn außer seiner Familie war er nur von Tieren umgeben) - und so ist das bis heute geblieben:
- Bevor der Mensch Wein trinkt, ist er unschuldig wie ein Schaf. (…)
- Nachdem er eine mäßige Menge Wein getrunken hat, hält er sich für stark wie ein Löwe. (…)
- Wenn er mehr trinkt, als er sollte, benimmt er sich wie ein Schwein. (…)
- Nachdem er völlig betrunken ist, benimmt er sich wie ein Affe - (…)
er ist sich überhaupt nicht bewusst, was er tut.”
(Midrasch Tanchuma, Noach 13:3)
Mögen wir danach streben, Zaddikim, aber nicht nur “Zaddik in Pelz” zu sein, und dass unser Weinkonsum L‘Schem Schamajimⓘלְשֵׁם שָׁמַיִם
aus reinen Motiven
wörtlich: „im Namen des Himmels“ sein wird.