D’warim und Tischah b’Aw - ein ungebetener Schabbatgast
Unsere Paraschahⓘ פָּרָשָׁה
Wochenabschnitt fängt ein neues Buch an, das 5. Buch Moses, das - so wie die Paraschah – D‘warim heißt, und das - im Gegensatz zu den ersten 4 Büchern nicht in der 3. Person geschrieben ist (zB „HaSchem sprach zu Moses“), sondern in der ersten („HaSchem sprach zu mir“) - siehe dazu hier. Aber sie ist dieses Jahr auch in dem Bezug besonders, als das direkt mit Schabbat-Ausgang Tischah b’Aw [תִּשְׁעָה בְּאָב] beginnt, einer der nachbiblischen Fasttage, und der wohl traurigste Tag des jüdischen Kalenders, der die „Drei Wochen“ abschließt (Mehr dazu siehe hier und hier).
- Was ist die Verbindung zu diesem Schabbat (auch Schabbat Chason [שַׁבַּת חֲזוֹן], also “Visions-Schabbat” genannt) und dem ohne Pufferzone darauffolgenden Trauertag?
Eine Vision - aber was kam davor?
”יְהֹוָ֞ה אֱלֹהֵ֣י אֲבֽוֹתֵכֶ֗ם יֹסֵ֧ף עֲלֵיכֶ֛ם כָּכֶ֖ם אֶ֣לֶף פְּעָמִ֑ים וִיבָרֵ֣ךְ אֶתְכֶ֔ם כַּאֲשֶׁ֖ר דִּבֶּ֥ר לָכֶֽם׃“
(דברים א' י"א)
„HaSchem, der Gott eurer Väter, möge hinzutun zu euch, so viel ihr seid, tausendfach, und euch segnen, wie er euch zugesagt.“
(D’warim, Deuteronomy, 5. Buch Moses 1: 11)
Diese Worte machen dem Namen Schabbat Chason alle Ehre. Aber sie folgen der Aufzählung schrecklicher Verhalten, die dazu führten, dass die Generation des Volkes, die aus Ägypten auszog und 40 Jahre durch die Wüste zog, sowie die Zehn Gebote erhielt, und Moscheh Rabbenu selbst - nicht in das Heilige Land einziehen durften. Nur der Generation danach war es gestattet.
Ähnlich verhält es sich mit dem Beit HaMikdasch [בֵּית־הַמִּקְדָּשׁ - dem Jüdischen Tempel) - er wurde zweimal erbaut, und beide Male war das Volk Israel ihm nicht würdig, weswegen er zerstört wurde. Die Vision der G’ulahⓘגְּאֻלָּה
Erlösung, Rettung (גְּאֻלָּה - Zeit der Erlösung, das messianische Zeitalter, das die Galutⓘ גָּלוּת
Diaspora
Exil beendet) ist für den Aufbau des Dritten Tempels, der ein Tikkunⓘתִּקּוּן
u.a. Reparatur für die ersten beiden Male sein wird.
Ein ungebetener Schabbat Gast
Was können wir von der Nähe des heiligen Schabbats zum traurigsten und unheiligsten Tage des Jahres, Tischah b´Aw, wo Torah Lernen streng verboten ist (weil das Lernen uns Freude macht)?
In der israelischen Armee sagt ein Sprichwort: Jeder Schabbat hat einen Schabbat-Ausgang (לכל שבת יש מוצאי שבת), soll heißen - nach einem schönen Schabbat, von der Familie umgeben, mit fröhlichen Liedern und guten Speisen und Wein, muss man wieder zurück in die Kaserne, schläft mit 20 Leuten in einem Zimmer (oder Zelt), und krabbelt durch den Schlamm.
Es gibt hier aber ein weiteres Prinzip: Das Gebrochene ist Teil des Ganzen! Und so sagt ein Midrasch [מִדְרָשׁ], dass das Volk Israel nicht nur die zweiten Gesetzestafeln mit sich mitnahm, sondern auch die ersten, die Moscheh Rabbenu zerbrochen hatte.
Und so können wir uns den Tischah b’Aw als ungebetenen Schabbatgast vorstellen, der sich unangemessen an unserem Schabbattisch benimmt, aber den wir trotzdem Gastfreundschaft zeigen müssen.
Und genau davon erzählt eine Geschichte von Eli’eser und Sarah, den Eltern des Baal Schem Tow, die für ihre Gastfreundschaft gegenüber Fremden bekannt waren.
HaSchem wollte sie auf die Probe stellen. Und so kam der Prophet Elijahu [אֵלִיָּהוּ], verkleidet als reisender Bettler, der sich nicht um die Heiligkeit des Schabbats kehrt, dawkaⓘדַּוְקָא
genau, absichtlich, gerade am Schabbat zu ihnen. Anstatt ihm den Rücken zu kehren, öffneten sie ihr Haus und luden ihn ein. Sie bedienten ihn von Kopf bis Fuß, erfüllten ihm jeden Wunsch und begegneten jeder noch so schroffen und respektlosen Aufforderung. In anderen Worten erwiesen Eli’eser und Sarah ihm tiefste Gastfreundschaft.
Und genau so müssen wir uns Tischa b´Aw gegenüber verhalten - wie dem ungebetenen Gast gegenüber, d.h., wir müssen auch die Dämpfung des Heiligen Schabbats, und die Trauer, die sich gegen Ende des Schabbats verstärkt, mit offenen Armen empfangen, genauso wie es üblich ist, HaSchem sowohl für gute Nachrichten als auch für Hiobsbotschaften mit Hakarat HaTowⓘהַכָּרַת הַטּוֹב
Dankbarkeit;
wörtlich: „das Gute erkennen“ zu danken.
Dann, und nur dann, kann das passieren, was beim Ende der Geschichte passierte -
Am Schabbatausgang, als Eli’eser dem ungebetenen Gast (der sich verabschiedete, ohne sich zu bedanken) nachlief, um ihm auch noch Geld für die Reise zu geben. Enthüllte sich Elijahu.
Elijahu ist nicht nur irgendein Prophet, sondern der Prophet, der das Kommen des messianischen Zeitalters verkündete, der Zeit, an dem der Beit HaMikdasch wieder steht und Tischah b´Aw nicht der traurigste, sondern der freudigste Tag des jüdischen Jahres sein wird